Der Secondhand-Kauf wird beflügelt durch die mit der Inflation verbundenen Preissteigerungen und die weltweiten Lieferschwierigkeiten.
Der Kauf aus zweiter Hand erfährt einen Imagewandel: Heute unterstützt er den Wunsch, nachhaltiger zu leben und gilt als Haltung.
Es gibt fast nichts, was sich nicht secondhand kaufen lässt – aber auch Reparaturen, Tauschbörsen, Leasing und Mieten kommt für vieles infrage.
Secondhand erlebt einen Imagewandel
Es ist noch nicht allzu lange her, da war der Secondhand-Kauf noch mit Scham behaftet. Flohmärkte galten vielleicht noch als nostalgisch, aber vieles andere hatte ein Armuts-Image. Das hat sich grundlegend geändert: Heute ist von „Vintage“- oder „Pre-loved“-Produkten die Rede. Der Secondhand-Kauf gilt als nachhaltiger und bewusster Konsum – er ist keine Frage des eigenen Verdienstes mehr; sondern eine Haltung. „Der Secondhand-Einkauf ist salonfähig geworden. Es schämt sich niemand mehr dafür – egal wie dick das Portemonnaie ist“, sagt etwa Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH).
Der Markt boomt
Egal, ob privat auf Kleinanzeigenmärkten oder geschäftlich als Secondhand-Onlinehändler – der Secondhand-Markt wird noch weiter boomen, weil die Menschen in Zeiten steigender Preise Geld sparen wollen oder müssen. Zudem gibt es keine Engpässe aufgrund von Lieferkettenproblemen, denn die Produkte kommen meist aus der heimischen Umgebung. Nicht zuletzt ist es umweltschonender, gebrauchte und funktionierende Produkte weiter zu nutzen, anstatt ausschließlich auf neu hergestellte Erzeugnisse zu setzen.
Die Vorteile des Secondhand-Kaufs
Dinge, die man nicht mehr braucht, werden woanders vielleicht dringend benötigt oder wenigstens gewünscht: Das macht den Secondhand-Boom aus. Rund 44 Prozent der Menschen haben 2021 gebrauchte Produkte gekauft – so viel wie nie zuvor. Und diese Vorteile haben Produkte aus zweiter Hand:
- Sie sind am Ende für den Käufer oder die Käuferin günstiger,
- bringen privat Verkaufenden zusätzliche Einnahmen,
- sparen natürliche Ressourcen und schonen die Umwelt.
Jede oder jeder hat also etwas davon.
Tipp: Beim Direktverkauf oder in der Artikelbeschreibung sollten Mängel und Gebrauchsspuren immer ehrlich angegeben werden, um nachträglichen Ärger zu vermeiden.
Was wird am häufigsten aus zweiter Hand gekauft?
Einer Umfrage der Marktforschungsplattform Statista vom November 2022 zufolge, wird vor allem Bekleidung aus zweiter Hand gekauft (22 Prozent). Gefolgt von Büchern, DVDs, CDs und Spielen (16 Prozent), Schuhen (14 Prozent), Taschen und Accessoires (11 Prozent) und Unterhaltungselektronik (11 Prozent) sowie Möbel und Haushaltswaren (10 Prozent). Dass Mode der Spitzenreiter ist und auch Schuhe schon auf Platz 3 folgen, hat offenbar auch damit zu tun, dass Fashion nicht nur werthaltig, sondern auch leistbarer sein soll. Denn das Markenbewusstsein ist in jüngeren Zielgruppen immer noch stark ausgeprägt. Auf diese Begehrlichkeiten wollen auch in Zeiten der aufkommenden Rezession nicht jeder und jede verzichten.
Worauf Verbraucherinnen und Verbraucher achten sollten
Beim Kauf aus zweiter Hand sollten Interessierte einiges berücksichtigen; hier ein paar Beispiele:
- Technik: Achten Sie bei elektronischen Geräten beispielsweise auf die Software, etwa, ob das Smartphone überhaupt noch für neue Updates verwendbar ist. Tipp: Recommerce-Händler, also Anbieter, die sich auf sogenannte Refurbished-Ware spezialisiert haben, sichern für ihre generalüberholten Geräte eine Gewährleistung und ein Widerrufsrecht zu.
- Kinderspielzeug: Einer schwedischen Untersuchung zufolge enthielten 84 Prozent der Secondhand-Spielzeuge gesundheitsschädliche Chemikalien, darunter Phthalat-Weichmacher und kurzkettige Chlorparaffine. Tipp: Spielzeug lässt sich mit allen Sinnen prüfen: beispielweise abtasten, ob es scharfe Kanten oder Teile gibt, die sich lösen und verschluckt werden könnten. Ebenso sollte auf auffällige oder unangenehme Gerüche geachtet werden.
- Die Bundesnetzagentur hat Ende November 2022 zur Vorsicht beim Kauf sogenannter Energiespargeräte im Onlinehandel aufgerufen. Bei der Überprüfung verschiedener Typen solcher Geräte seien zahlreiche formale Mängel wie beispielsweise falsche CE-Kennzeichnungen, fehlende deutsche Bedienungsanleitungen und fehlende Ansprechpartner festgestellt worden. Tipp: Sie können die Produkte unter anderem an der Bezeichnung erkennen. Beworben werden diese mit Begriffen wie „Energie- oder Stromsparbox“, „Elektrosparbox“ oder „Energiespargerät“.
Konsumfasten: Weniger ist mehr
Eine Gesellschaft, die private Konsumgüter im Überangebot hat und auf verschwenderische Art und Weise Abfälle produziert – ist eine Überflussgesellschaft. Diese Vergeudung können wir uns nicht mehr leisten – und viele wollen sie auch nicht mehr. So entstand frei nach der Designerin Donna Karan „Weniger ist mehr im Kleiderschrank“ etwa die Idee des Kleiderfastens. Die Idee ist, nicht nur den Geldbeutel zu schonen, sondern auch den Kopf zu befreien. So sollten für die jeweilige Saison nicht viel mehr als 35 Kleiderstücke im Schrank sein – am besten geht das, wenn sich die Kleidung auch miteinander kombinieren lässt. Und es gilt, zu versuchen, ein Jahr lang keine neuen Kleidungstücke zu kaufen. Das lässt sich auch auf andere Produkte anwenden und nennt sich Konsumfasten.
Brauche ich wirklich etwas Neues? Die Nachhaltigkeitspyramide hilft
Es geht darum, Prioritäten zu setzen. Dazu muss sich jeder oder jede zunächst hinterfragen: Wie ist mein Konsumverhalten? Wie kann ich Impulskäufen vorbeugen? Verschafft es mir kurzzeitiges Vergnügen? Oder benötige ich es wirklich dringend? Und auch: Lässt mein Portemonnaie es überhaupt zu? Wer achtsam in verlockenden Situationen bleibt oder klare Alternativen hat, schafft das fast mühelos. Denn viele Antworten gibt da die Nachhaltigkeitspyramide:
Anstatt neue Dinge zu kaufen, könnten auch gebrauchte eine gute Lösung sein. Das ist die Secondhand-Welt. Die Nachhaltigkeitspyramide geht aber noch weiter: Sie favorisiert auch das Ausleihen (Leasing), das Selbermachen, das Reparieren oder das bereits Vorhandene.
Jedes Gerät hat ein Recht auf Reparatur
Mehr als drei Viertel der Europäer würden ihre defekten Elektrogeräte lieber reparieren lassen, anstatt sich neue zu kaufen, das ergab eine Umfrage des Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ) Deutschland. Dabei muss erwähnt werden, dass es nicht immer so einfach ist, beispielsweise Elektro- oder elektronische Geräte reparieren zu lassen. Das erschweren oft schon die Hersteller, oder sie machen es gar unmöglich. Dann ist eine Reparatur teurer als eine Neuanschaffung. Doch nun will die EU eingreifen: Sie plant, dass Geräte – auch Handys und Tablets – künftig einfacher repariert werden können müssen. Denn Hersteller müssen Reparaturinformationen und bestimmte Ersatzteile, wie zum Beispiel Displays und Akkus, für sieben Jahre zur Verfügung stellen. Niemand soll mehr ein Handy wegwerfen müssen, weil ein defekter Akku nicht entnommen werden kann, heißt es aus dem Umweltbundesministerium.
Reparieren lernen oder sein Wissen teilen
Der Ehrlichkeit halber muss aber auch gesagt werden, dass so mancher Verbraucher, so manche Verbraucherin kaputte Gegenstände viel zu schnell wegwerfen. Nur 24 Prozent aller Elektrogeräte werden bei einem Defekt repariert. Ein Gerät, das sich noch reparieren ließe, ein Schönheitsfehler, der sich beheben ließe – sind noch keine Gründe, Dinge im Müll landen zu lassen. Zwar gibt es immer weniger Werkstätten, dafür aber immer mehr Repair-Cafés, wo man allein oder gemeinsam kaputte Dinge reparieren kann und dafür das Material oft schon bereitsteht. Etwa 960 Repair-Cafés gibt es laut Verbraucherzentrale im Jahr 2022 in Deutschland.
Wenn nichts mehr geht: Bequemes Recycling im Supermarkt
Seit dem 1. Juli 2022 gilt das neue Elektro- und Elektronikgerätegesetz. Dieses verpflichtet Supermärkte und Discounter dazu, Elektrokleingeräte, die nicht größer als 25 Zentimeter sind, wie beispielsweise Wasserkocher, Rasierer, Toaster oder Smartphones anzunehmen, um sie fachgerecht zu entsorgen. Vorausgesetzt: Diese Märkte verkaufen selbst Elektronikgeräte und ihre Verkaufsfläche ist größer als 800 Quadratmeter.
Kaufst du noch oder leihst du schon?
Wer nicht kaufen will, kann beinahe alles mieten, teilen, tauschen oder leihen. Autos, Möbel, Immobilien, PCs, Laptops, Handys, Kaffeeautomaten, ja in der Landwirtschaft sogar Nutztiere. Natürlich auch Kleidung.
Bei der „Kleiderei“ etwa funktioniert der unendliche Kleiderschrank so, dass Kundinnen und Kunden ein Abo abschließen und für 29 Euro im Monat vier Kleidungsstücke gleichzeitig ausleihen und sie bei Bedarf gegen neue Stücke tauschen. Beim Möbelleasing lassen sich beispielsweise ganze Einrichtungen von 1 Woche an bis zu 60 Monaten leasen. Für Kraftfahrzeuge gibt es neben Car-Sharing auch die Möglichkeit, kostenlos Autos oder Motorräder zu tauschen. Bücher, DVDs und ungeliebte Geschenke wechseln schon lange auf Online-Tauschbörsen ihre Besitzer. Von der Kristallvase bis zum Messingkerzenständer, von der Candy-Bar bis zum Vintage-Geschirr lassen sich etwa auch Dekorationen länger- oder kurzfristig mieten.
Tipp: Lesen Sie sich vor der Anmeldung grundsätzlich die AGB durch, besonders im Hinblick auf Gebühren, Verpflichtungen und Mindestaktivitäten.
Die zweite Hand als erste Wahl
Gegen Liebe auf den ersten Blick hilft oft der zweite, heißt es. Gegen die derzeitig hohen Preise hilft zukünftig mehr Bewusstsein. Und so ändert sich gerade das Einkaufsverhalten der Deutschen: Die Menschen überlegen sorgfältiger, was sie wirklich brauchen und achten vermehrt auf Sonderangebote, das ist das Ergebnis einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom vom November 2022. Dabei gaben mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Befragten an, sich aktuell sorgfältiger zu überlegen, was sie eigentlich brauchen, bevor sie den Kauf-Button drücken. Das ist ein guter Anfang. Mit Secondhand geht es weiter.
Wie gut, wenn die zweite Hand die erste Wahl ist.