Von einem Tag auf den anderen sind viele Unternehmen in eine Notsituation geschlittert: Die Corona-Pandemie führte zum Lockdown von Geschäften, die Nachfrage brach ein, Lieferketten rissen ab, Produktionen kamen zum Stillstand. In vielen Branchen wird es auch nach Bezwingen des Virus kein Zurück zur Normalität vor Corona geben, denn die Bedürfnisse der Verbraucher ändern sich dauerhaft – ebenso wie der Markt und der Wettbewerb.
Gefragt wie nie: die Anpassungsfähigkeit des Mittelstands
Doch der deutsche Mittelstand ist widerstandsfähig. Kleine und mittelständische Betriebe können schneller auf veränderte Bedingungen reagieren als Großkonzerne, sich rascher an neue Gegebenheiten anpassen. Und genau diese Anpassungsfähigkeit ist jetzt mehr gefragt denn je. Das alte Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr? Dann muss ein neues her! Eine Restrukturierung kann für Unternehmen der Ausweg aus der Krise sein.
Einen Betrieb umzustrukturieren kann bedeuten, sich von Geschäftsbereichen zu verabschieden, die nicht mehr zukunftsfähig sind. Gänzlich neue Produkte oder Dienstleistungen ins Portfolio zu nehmen. Aufgaben auszulagern oder – das genaue Gegenteil – zentrale Fertigungsschritte wieder in die Organisation zurückzuholen. Ziel ist eine nachhaltige Verbesserung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Welche Strategie die richtige ist, das ist sehr individuell.
Was ist eine Restrukturierung?
Ist ein Unternehmen in seiner Existenz bedroht, soll ein grundlegender Richtungswechsel im Hinblick auf Arbeitsweise, Struktur und/oder Marktausrichtung das Unternehmen vor der Insolvenz retten und wieder auf Wachstumskurs bringen. Dieser Prozess wird als Re- oder Umstrukturierung bezeichnet; auch Sanierung oder Turnaround sind häufig verwendete Begriffe in diesem Kontext.
Lassen Sie sich von Fachleuten beraten
Eine Restrukturierung sollte von Experten begleitet werden. Der Blick von außen hilft dabei, alle Faktoren unvoreingenommen zu durchleuchten und in ganz neue Richtungen zu denken. Möglich ist eine punktuelle Unterstützung ebenso wie die Begleitung des gesamten Prozesses. Auch die Einbindung externer Fachleute ins operative Geschäft, etwa als Interimsmanager, kann eine Lösung sein.
Bestimmte Phasen sind in jedem Restrukturierungsprozess nötig, damit er erfolgreich sein kann.
Die fünf wichtigsten Schritte im Überblick:
Gründliche Analyse
Auch wenn die Zeit in der Krise knapp zu sein scheint, muss die aktuelle Lage zunächst gründlich analysiert werden – interne Faktoren ebenso wie externe Faktoren. Fragen, auf die Sie Antworten finden sollten:
Wie ändern sich die Bedürfnisse meiner Kunden?
Welche Erwartungen stellen die Kunden an Produkte und Dienstleistungen? Wo suchen sie danach? Wie konsumieren sie?
Die Bedürfnisse von Verbrauchern und Geschäftskunden haben sich innerhalb weniger Wochen verändert. Waren werden fast ausschließlich online gekauft, Kunden per Telefon beraten, Essen mit dem Kurier ausgeliefert. Das Handy ist die wichtigste Verbindung zur Außenwelt. Auch wenn nach der Krise die Menschen wieder in Geschäfte gehen, Restaurants besuchen und Urlaube buchen werden – viele der aktuell genutzten digitalen Services werden Bestand haben, die Ansprüche der Kunden werden andere sein als vor der Pandemie. Lesen Sie hier mehr über digitale Trends, die auch nach der Krise weiterwirken werden.
Stellen Sie die Kunden in den Mittelpunkt Ihrer Analyse. Martkforschung schafft die Grundlage dafür. Mit Methoden wie Design Thinking können Sie die Zielgruppen direkt in den Entwicklungsprozess für neue Produkte oder Geschäftsmodelle einbeziehen.
Wie verhalten sich die Wettbewerber?
Wie stellt sich die Konkurrenz auf die veränderten Kundenbedürfnisse ein? Welche neuen Wettbewerber drängen in den Markt? Welche Kooperationen bieten sich an?
Der Markt sortiert sich neu. Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen – auch aus anderen Branchen – nutzen die Schwächen von Wettbewerbern, um ihre Marktposition auszubauen. Hier gilt es genau zu schauen, wie das eigene Unternehmen im Markt- und Wettbewerbsvergleich dasteht und wo es Handlungsspielraum gibt.
Was sind die Zukunftsthemen?
Die Bedeutung der Digitalisierung ist uns durch Corona eindrücklich vor Augen geführt worden. Wer eine Neuausrichtung plant, muss die Chancen, die sich durch digitale Prozesse und Produkte ergeben, unbedingt mitdenken.
Eine weitere Zukunftsfrage, die nach der Corona-Krise wieder in den Fokus rücken wird, ist die nach grünen Technologien und nachhaltigen Produkten. Die Klimakrise wird die Weltwirtschaft möglicherweise noch stärker herausfordern als Corona. Eine Restrukturierung kann nur dann langfristig von Erfolg gekrönt sein, wenn sie ökonomisch und ökologisch nachhaltig ist.
Wie ist mein Unternehmen aufgestellt?
Produzierende Unternehmen und Handelsbetriebe sind auf gut funktionierende Lieferketten angewiesen. Haben sich durch die Corona-Krise Engpässe ergeben oder fallen Lieferanten dauerhaft aus, braucht es eine schonungslose Bestandsaufnahme: Lässt sich die Supply Chain wiederaufbauen oder muss völlig neu gedacht werden.
Gleiches gilt für die internen Arbeits- und Produktionsprozesse des Unternehmens: Wo knirscht es? Welche Bereiche oder Elemente sind nicht mehr wettbewerbsfähig? Was funktioniert einwandfrei und sollte unbedingt erhalten bleiben? Welches Know-how haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wo benötigen sie neue Fertigkeiten?
Entscheidung treffen
Ausgehend von der Ist-Analyse lassen sich Handlungsoptionen ableiten, etwa im Hinblick auf ein neues Geschäftsmodell, eine Änderung der Marktausrichtung oder das Outsourcing von Bereichen. Auch bei der Ausarbeitung der Optionen können sich Betriebe von externen Fachleuten unterstützen lassen. Die Entscheidung für oder gegen harte Einschnitte muss aber letztendlich der Unternehmer oder die Unternehmerin selbst fällen. Hier braucht es Mut zur Veränderung.
Dann geht es an die Detailplanung: In welchem Zeitraum sollen welche Maßnahmen umgesetzt werden? Mit welchem Ergebnis? Und wer ist dafür verantwortlich? Neben langfristig wirksamen Maßnahmen braucht es Maßnahmen mit schnell spürbarer Wirkung auf den Cashflow.
Finanzierung klären
Priorität bei der finanziellen Restrukturierung hat die Sicherung der Liquidität für den laufenden Geschäftsbetrieb. Darüber hinaus müssen finanzielle Spielräume für die operative Restrukturierung des Betriebs geschaffen werden. Besprechen Sie gemeinsam mit Ihrer Bank, wie sich Ihre Pläne finanzieren lassen. Grundlage dafür ist ein tragfähiges Sanierungskonzept.
Reichen die finanziellen Mittel nicht aus, um die Kosten einer notwendigen Restrukturierung zu decken, so kann die Restrukturierung im Rahmen des Insolvenzrechts umgesetzt werden, etwa durch eine Eigenverwaltung mittels Insolvenzplan. Dafür müssen jedoch die entsprechenden Maßnahmen frühzeitig eingeleitet werden.
Mitarbeiter einbeziehen
Restrukturierungen gehen häufig mit Entlassungen einher. Auch wenn das nicht zwangsläufig so sein muss, werden sich sicher bestimmte Prozesse und Zuständigkeiten ändern. Das führt zu Verunsicherung in der Belegschaft – nicht nur bei den Mitarbeitern, die das Unternehmen vielleicht verlassen müssen, sondern auch bei denen, die in der Organisation bleiben.
Sie sollten Ihren Mitarbeitern offen und transparent erklären, was die Hintergründe der geplanten Maßnahmen sind und welche Ziele das Unternehmen mit der Restrukturierung verfolgt. Die Ausnahmesituation, in der sich die Wirtschaft wegen Corona befindet, führt dazu, dass Mitarbeiter ebenso wie andere Stakeholder um die Ernsthaftigkeit der Situation wissen und sehen, dass ein „Weiter so“ nicht funktioniert.
Umsetzung überwachen
Eine Restrukturierung ist ein dynamischer Prozess, in dessen Verlauf Sie sich immer wieder auf Veränderungen einstellen müssen. Deshalb sollten Sie die eingeleiteten Maßnahmen und die Auswirkungen engmaschig überwachen, um schnell erkennen zu können, wenn etwas nicht funktioniert wie erwartet. In diesem Fall müssen Sie den Maßnahmenplan anpassen.
Expertentipps zur Restrukturierung
Im Gespräch mit
Uwe Burkert
Welche Unternehmen können jetzt in der Krise von einer Restrukturierung profitieren?
Unternehmen, die spüren, dass die Corona-Krise bestimmte Entwicklungen beschleunigt, bei denen sie dachten, dass ihnen mehr Zeit bliebe. Nehmen wir zum Beispiel einen Buchhändler, der während der coronabedingten Schließung seines Ladens die Kunden telefonisch beraten und den Einkauf nach Hause geliefert hat: Die Kunden werden einen solchen Service auch nach der Krise erwarten, so dass der Buchhändler nun viel schneller digital werden muss als gedacht. Er mag darüber nachdenken, seine Filiale ganz aufzugeben und stattdessen komplett auf Fernberatung und Lieferung zu setzen.
Wie kann dieser Buchhändler die Umstellung finanzieren?
Welche Finanzierung passt, muss man im Einzelfall schauen. Corona-Hilfskredite lassen sich für einen solchen Unternehmensumbau leider nicht verwenden. Die staatlichen Förderkredite richten sich an Unternehmen, die ein funktionierendes Geschäftsmodell haben und die vor der Krise profitabel waren. Sie sollen mit den Soforthilfen über Wasser gehalten werden.
Wer eine Neuausrichtung seines Geschäftsmodells plant, kann dafür die Soforthilfen nicht nutzen. Es gibt aber andere attraktive Förderprogramme, die die Sparkassen/LBBW in die Beratung zu neuen Geschäftsmodellen einfließen lassen.
Was ist mit Unternehmen, die vor der Krise eine Restrukturierung eingeleitet haben?
Auch sie können die Corona-Kredite leider nicht abrufen. Stichtag ist der 31. Dezember 2019 – wer vorher mit einer Restrukturierung begonnen hat, fällt durchs Raster. Auf diese Förderlücke weisen wir die Politik immer wieder hin.
Kunden, die das betrifft, begleiten wir sehr eng, wir haben den Restrukturierungsprozess meist ja auch mit angestoßen. Die Sparkassen können viel differenzierter helfen als die Politik, die mit Stichtagsregelungen arbeiten muss.
Gehen Restrukturierungen zwangsläufig mit dem Verlust von Arbeitsplätzen einher?
Nicht unbedingt. Das hängt stark davon ab, was verändert werden soll. In bestimmten Bereichen wie dem Controlling oder der Verwaltung lassen sich Prozesse stärker automatisieren. Dann gibt es aber Schlüsselthemen wie IT oder den Kundenkontakt, wo ich darauf angewiesen bin, Mitarbeiter zu halten, die die Firma und die Kunden in die neue Zeit begleiten.
Welche Fehler machen Unternehmen am häufigsten, wenn es um Restrukturierung geht?
Sie gehen den Wandel zu spät an. Nach dem Motto: Es läuft gut, es wird auch das nächste Jahr gut laufen. Oft fehlt es an Beweglichkeit. Dabei ist es wichtig, flexibel und schnell zu reagieren. Sonst verbaut man sich die Chancen, die mit dem Wandel einhergehen.
Die Aufarbeitung der Corona-Krise wird den strukturellen Wandel in Deutschland ungemein beschleunigen. Das verlangt von den Unternehmen eine große Anpassungsfähigkeit. Da hilft es, wenn man einen Partner an seiner Seite hat, der den Anpassungsprozess begleitet.