Der Schritt ins Umland will sehr gut überlegt sein und alle wichtigen Punkte bedacht werden. Dass Sie sich finanziell nicht übernehmen dürfen, ist klar. Nicht nur der Kaufpreis oder die Baukosten, auch die Nebenkosten wollen realistisch eingeordnet werden. Aber es ist nicht allein der Preis, der über den Wohnort entscheidet.
Die Städte platzen aus allen Nähten
Noch vor wenigen Jahren ging der Trend Richtung Wohnen in den Zentren – München und Köln, Berlin und Hamburg. Die Vorteile der Großstadt liegen auf der Hand: Die Infrastruktur ist gegeben und zur Arbeit ist es meist nicht weit. Überhaupt liegt alles in der Nähe, was man braucht. Vom Supermarkt bis hin zu Kino, Restaurant und Konzerthalle ist oftmals alles bequem fußläufig erreichbar.
Doch zumeist reicht es aktuell aus Platzmangel in der Stadt nur für eine Wohnung, sei es im Alt- oder im Neubau. Altbauwohnungen haben einen unbestreitbaren Charme. Der relativiert sich allerdings, wenn Sie Ihre Einkäufe vier Stockwerke hoch in die Wohnung tragen müssen, weil es keinen Aufzug gibt. Dazu sind Altbauwohnungen in unterschiedlichen Zuständen zu haben.
Auch heute gibt es noch Doppelfenster mit Einfachverglasung aus der Nachkriegszeit, die toll aussehen, Ihnen in Verbindung mit hohen Decken bei der Nebenkostenabrechnung die Tränen in Augen treiben.
Heizkosten sind derzeit aber die geringsten Sorgen vieler Städter. Die Preise für Immobilien und Grundstücke sind in den vergangenen Jahren sehr stark gestiegen. Die Steigerungsraten lagen teilweise über zehn Prozent pro Jahr – Experten halten viele Immobilien in Großstädten um bis zu 30 Prozent überbewertet, wie die Bundesbank in ihrem Finanzstabilitätsbericht festgestellt hat.
Raus aufs Land?
Kein Wunder, dass sich viele nach Alternativen umschauen. Auch das Landleben hat schließlich einiges zu bieten. Zu niedrigeren Preisen können sich Individualisten und Naturliebhaber Ihre Wohnträume erfüllen. Auf einem üppig bemessenen Grundstück die Sommerabende am Grill genießen – das klingt in den Ohren vieler wie ein Traum. Apropos – die einzigen Konzerte, die sie zu hören bekommen, sind die der Grillen. Dafür haben Sie reichlich Platz für Kinder und Haustiere.
Manchmal hat das Landleben aber auch seine Herausforderungen. Die Digitalisierung hat bislang meist nicht dafür gesorgt, dass man auch fernab der Zentren seinen Beruf über das Internet ausüben kann. Stattdessen sprechen Experten von der Entleerung der ländlichen Räume: Leute ziehen weg, dadurch fehlt es an Lehrern und Ärzten und so weiter. Das macht das Wohnen dort unattraktiver. Ein Teufelskreis.
Der Speckgürtel: das Beste aus beiden Welten?
Wo finden sich also heute noch bezahlbare Immobilien, mit Platz für die Familie, aber auch in Reichweite des Arbeitsplatzes? Immer mehr Menschen entscheiden sich für ein Haus oder eine Wohnung im so genannten Speckgürtel, sorgen für eine „Reurbanisierung der Klein- und Mittelstädte“ um die Zentren. Damit ist gemeint, dass viele Gemeinden und Städte um die Metropolen großen Zuwachs erfahren und im Moment zu den dynamischsten Regionen des Landes zählen.
Das liegt zum einen an der Landflucht. Zum anderen sind es auch viele Städter, die sich auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum im Umland einnisten – eine Folge des so genannten „Überschwappeffektes“, weil die Städte zu voll und zu teuer geworden sind. Statt in kostspielige, kleine Stadtwohnungen ziehen die Menschen in vergleichsweise große Immobilien in einem Gürtel rund um die Stadt.
Das Haus im Speckgürtel als finanzielle Absicherung
Für die Menschen in den Speckgürteln hat die eigene Immobilie eine wichtige Funktion für ihre Finanzen. Zahlen aus dem DSGV-Vermögensbarometer 2019 zeigen, dass im Umland das Haus oder die Wohnung auch der Vermögensbildung dient. 28 Prozent der Menschen im Speckgürtel sagen, dass die selbstgenutzte Immobilie das beste Mittel für ihren Vermögensaufbau sei. In der Stadt sagen das nur 20 Prozent.
In Bezug auf die Altersvorsorge sind die Vorstädter entspannter als in allen anderen Wohnlagen. 40 Prozent gaben an, dass ihre Maßnahmen zur finanziellen Absicherung ausreichen. Die Menschen in der Stadt (35 Prozent) und auf dem Land (33 Prozent) sind da pessimistischer. Auch insgesamt sind die Bewohner der Speckgürtel mit ihrer finanziellen Situation am zufriedensten.
Neubaugebiete und S-Bahn lassen Gemeinden aufblühen
Doch was ist der Speckgürtel genau? Wo er anfängt und aufhört, ist nicht nur in jeder Stadt anders, das ändert sich auch stetig.
Einst verschlafene Dörfer erfahren plötzlich einen Aufschwung durch Neubaugebiete. Eine neue Anbindung an die S-Bahn lässt eine alternde Gemeinde innerhalb kürzester Zeit wieder aufblühen.
Dieses Phänomen gibt es nicht nur bei den Millionenstädten. Viele denken an München oder Berlin, wenn sie dieses Wort hören. Aber Speckgürtel gibt es längst auch um kleinere Städte im ganzen Land, von Recklinghausen bis Reutlingen, von Cottbus bis Koblenz.
Bezahlbarer Wohnraum in den Speckgürteln
Einer der Hauptgründe für diese Abwanderung ins Umland sind die Preise. In vielen Städten gestaltet sich die Haus- oder Wohnungssuche deshalb sehr schwierig, weswegen viele Familien sich in den umliegenden Bezirken umschauen. Dort findet sich bezahlbarer Wohnraum, auch wenn eine längere Anfahrt zum Arbeitsplatz damit einhergeht.
Für viele in den Speckgürteln ist eine Pendelstrecke von 40 Kilometern und mehr Alltag. Laut Umfragen ziehen die meisten eine Grenze bei einer Anfahrtszeit von einer Stunde. Aber es gilt: Je weiter Sie außerhalb wohnen, desto mehr Immobilie bekommen Sie für Ihr Geld. Deshalb werden die Speckgürtel vielerorts jedes Jahr größer.
Umso wichtiger ist für viele, dass es einen Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr gibt. Den Weg über verstopfte Straßen Richtung Stadt ist für viele ein täglich durchlebter, aber gehasster Albtraum.
Neben finanziellen Gründen ist es hauptsächlich die Familienplanung, die Menschen in die Speckgürtel führt. Das Leben in der Großstadt mag aufregend sein. Aber mit seinen Kindern möchte nicht jeder beengt und umgeben von viel Beton und Stein leben und den Platz im Park mit vielen teilen. Stattdessen locken die Vororte mit Garten ums Haus und ruhigen Straßen, die Eltern nicht in ständige Sorge um den Nachwuchs versetzen.
Die Gemeinden in den Speckgürteln verändern sich
Durch die Neuankömmlinge verändert sich auch das Leben der Alteingesessenen im Umland der Städte. Auch wenn vielleicht nicht jedem schmeckt, dass plötzlich die Preise steigen und die Zugezogenen das Leben der Gemeinde aktiv mitprägen: Auch die schon länger dort Beheimateten profitieren, beispielsweise weil aufblühende Gemeinden für Ärzte plötzlich wieder interessant werden.
Für die Zugezogenen bieten die Veränderungen fast nur Vorteile. Gerade in Neubaugebieten gibt es viele, die sich in der gleichen Situation befinden und aus ähnlichen Gründen im Speckgürtel wohnen wollen. Die Folge: Die Kinder finden schnell Gleichaltrige zum Spielen und Anschluss in Schule und Sportverein.
Viele gute Gründe
Es gibt also viele gute Gründe für das Wohnen im Speckgürtel. Ob und wo das für Sie infrage kommt, hängt von Ihrer persönlichen Situation und Ihren Bedürfnissen ab. Als Single sind Sie fürs Erste vielleicht besser in der Großstadt aufgehoben. Als Naturliebhaber und Individualist haben Sie es auf dem Land möglicherweise leichter, Ihr ganz privates Paradies zu finden.
Die meisten Familien kommen momentan aber um die Speckgürtel kaum herum. Der Umzug ins Umland ist eine Überlegung wert – auch wenn Sie sich schließlich aus guten Gründen für ein Leben ganz auf dem Land oder in der Stadt entscheiden.
Ihre Checkliste für den Umzug in den Speckgürtel
Diese Fragen sollten Sie bei einem Umzug in den Speckgürtel für sich beantworten:
- Wie weit und wie lange müssen Sie zum Arbeitsplatz pendeln?
- Würden Sie im Notfall in der Nähe einen vergleichbaren Arbeitsplatz finden?
- Gibt es einen brauchbaren Anschluss an die öffentlichen Verkehrsmittel?
- Gibt es auch im Ort selbst eine für Sie für die nächsten Jahre relevante Infrastruktur (wie Kita, Schule, weiterführende Schule, Arzt, Zahnarzt, …)?
- Gibt es ausreichend Platz im neuen Zuhause, auch wenn sich Ihre Familie vergrößert?