Für junge Menschen sind Zinsen aufs Ersparte fast so schwer vorstellbar wie eine Welt ohne Internet. Die Europäische Zentralbank (EZB) senkte den Leitzins ab 2011 kontinuierlich. Nun wurde dieser auf 3,75 angehoben. So will die Notenbank dazu beitragen, dass die aktuelle Teuerungsrate nicht dauerhaft bestehen bleibt. Null- und Negativzinsen könnten mit weiteren geplanten Leitzinsanpassungen der Vergangenheit angehören, Zinsen für Tages- und Festgeld wieder steigen. Aufgrund der hohen Inflation können Sparerinnen und Sparer ihr Geld ohne eine alternative Anlagestrategie so schnell trotzdem nicht vermehren.
Was sind Negativzinsen und warum gibt es sie?
Eine historische Niedrigzinsphase findet ihr Ende. Seit 2016 bestand in Deutschland das Nullzinsniveau. Durch die daran gekoppelte Einlagefazilität von -0,1 Prozent in 2014 bis -0,5 Prozent in 2019 entstanden in diesem Zeitraum für Finanzinstitute Negativzinsen. Das Ergebnis: Es gab keine Zinsen auf Erspartes. Denn die Entstehung von Negativzinsen ist an die Geldpolitik der EZB gekoppelt.
Bei der Zentralbank können Banken und Sparkassen ihr überschüssiges Geld (also das Kapital, das sie nicht an andere Kreditinstitute oder Kundinnen und Kunden verleihen) parken. Eine beliebte Lösung, denn das Kapital ist dort sicher verwahrt. Allerdings erhebt die EZB Gebühren für eben diese Einlagen – es fällt der sogenannte Einlagensatz an. Das ist der Zins, zu dem Banken und Sparkassen kurzfristig Geld bei der Zentralbank aufbewahren können.
Die Begründung für dieses Vorgehen: Je höher der Negativzins für Banken und Sparkassen, desto größer ist ihr Anreiz, Geld in Form von günstigen Krediten an Unternehmen zu verleihen. So will die EZB zugleich Firmen und Gewerbe motivieren zu investieren. In Maschinen, Autos oder andere Dinge, die die Wirtschaft antreiben.
In der Finanzkrise, während der Staatsschuldenkrise Griechenlands und auch in der Corona-Pandemie haben die Notenbanken weltweit die Leitzinsen drastisch gesenkt. Die Sorge, dass wegen der großen Unsicherheiten niemand mehr Geld verleihen und das Wirtschaftsleben zum Stillstand kommen würde, war groß.
Laut Satzung hat die EZB auch die Aufgabe, die Preise stabil zu halten. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es nach Ansicht der EZB knapp zwei Prozent Inflation. Zwischen Juli und Dezember 2020 rutschte der Wert allerdings unter die Nullmarke. Erst Anfang 2021 stieg die Inflationsrate wieder. Aktuell liegt sie aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise und des Kriegs in der Ukraine bei 7,2 Prozent (Stand: April 2023).
Die EZB hat am 27. Juli 2022 erstmals seit 2011 die Leitzinsen für die Eurozone erhöht, um die Inflationsrate zu senken. Inzwischen ist der Leitzins auf 3,75 Prozent gestiegen (Stand: Mai 2023).
Was sind die Vor- und Nachteile von negativen oder niedrigen Zinsen?
Vom Negativzins profitieren in erster Linie die Staaten der Eurozone – auch Deutschland: Die Bundesregierung kann sich auf diesem Weg günstig verschulden. Von den Negativ- und Nullzinsen profitieren aber auch all jene, die einen Kredit aufnehmen – Unternehmen ebenso wie Verbraucherinnen und Verbraucher. Langsam aber sicher werden die Kredite jedoch immer teurer. Das trifft vor allem Immobilienkäufer und -käuferinnen: Seit Anfang 2022 sind die Baufinanzierungszinsen im Schnitt um 2,5 Prozentpunkte gestiegen. Sie betragen derzeit – je nach Höhe des Kreditrahmens und des eingebrachten Eigenkapitals – im Durchschnitt 3,2 bis 3,5 Prozent effektiv.
Ein Verlustgeschäft ist ein Negativzins oder Nullzins dagegen für Deutschlands Zinssparerinnen und Zinssparer: Vor allem diejenigen, die sich Geld fürs Alter über festverzinsliche Anlagen auf die Seite legen wollen. Klassische Sparanlagen wie Tages-, Termin- oder Festgeld sowie Anleihen sind aufgrund der Rekordinflation derzeit noch unattraktiv, auch wenn die EZB die Zinsen nun weiterhin schrittweise anheben will.
Betroffen sind aber auch institutionelle Anlegerinnen und Anleger, wie etwa Versicherungen oder Pensionsfonds: Sie müssen ebenfalls weiterhin alternative Anlagemöglichkeiten finden, um das Ersparte ihrer Kundinnen und Kunden zu vermehren.
Wie wirken sich negative oder niedrige Zinsen auf Banken und Sparkassen aus?
Kreditinstitute mussten bis vor Kurzem für Geldeinlagen bei der Europäischen Zentralbank eine Gebühr von 0,5 Prozent pro Jahr zahlen. Mit klaren Folgen: Die Negativzinszahlungen deutscher Banken und Sparkassen an die EZB summierten sich auf mehrere Milliarden Euro im Jahr.
Finanzinstitute müssen nach der Erhöhung des Einlagensatzes kein Geld mehr bezahlen, wenn sie ihr überschüssiges Kapital bei der EZB hinterlegen. Bis vor Kurzem hielten viele Kreditinstitute daran fest, die Negativzinszahlungen der EZB an ihre Kundinnen und Kunden bei höheren Einlagen von zum Beispiel 25.000 oder 50.000 Euro weiterzugeben. Das dürfte sich nun in vielen Fällen ändern, da das Verwahrentgelt oftmals an den Einlagezins der EZB gekoppelt ist.
Wie sollten Sparende und Anlegende mit negativen oder niedrigen Zinsen umgehen?
Die Deutschen parken ihr Geld vorwiegend auf dem Tagesgeld- oder dem Girokonto. In Nullzins- oder gar Negativzinszeiten eine mutlose Strategie, da risikolose Anlagen keine Aussicht auf positive Erträge bieten. Denn für Sparerinnen und Sparer gilt generell: Je niedriger der Leitzins, desto weniger Zinsen gibt es.
Anleger und Anlegerinnen sollten also auf Alternativen ausweichen: Vor allem Aktien können einen Ausweg aus der Ertragsmisere bieten. Auch wenn sich die Kurse weltweit derzeit noch nicht erholt haben, werden sie erfahrungsgemäß mittel- bis langfristig wieder steigen. Allein in den vergangenen 30 Jahren hat der DAX im Schnitt pro Jahr ein Plus von 8 Prozent erwirtschaftet. Andere Aktienindizes sogar deutlich mehr.
Was bedeutet das für Bundesanleihen?
Im August 2019 fielen die Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik unter null Prozent Rendite. Mit der Coronakrise hat sich diese Entwicklung weiter verfestigt. Im Januar 2022 lag die Rendite von Bundesanleihen bei minus 0,03 Prozent. Zwar rentieren Bundesanleihen nach der Leitzinsanhebung aktuell bei 2,15 Prozent (Oktober 2022) – eine Anlage lohnt sich in absehbarer Zeit aufgrund der Geldpolitik der EZB und der hohen Inflationsrate aber nicht.
Anlegerinnen und Anleger, die dem deutschen Staat Geld leihen, zahlen also weiterhin drauf. Eine Zäsur am Finanzmarkt – vor zehn Jahren rentierten die zehnjährigen Bundesanleihen noch mit über drei Prozent bei einer Inflationsrate von zwei Prozent, zu Beginn des Jahrtausends lag ihre Rendite sogar bei rund fünf Prozent.
Kommt jetzt eine Zinswende und steigen die Zinsen weiter?
Die EZB hat im Juli 2022 eine erste Zinserhöhung von 0,5 Prozentpunkten vorgenommen – die erste Erhöhung seit über einem Jahrzehnt. Inzwischen erfolgte eine Anpassung auf 3,75 Prozent, um der hohen Inflation zu begegnen. Aktuell ist noch unklar, welches Zinsniveau die Zentralbank insgesamt ansteuert.
Welche Rolle spielt die Inflation?
Aufgrund der Folgen der Coronakrise, Lieferschwierigkeiten und schlechten Ernten sowie des Ukraine-Krieges und den damit verbundenen steigenden Energie- und Rohstoffpreisen markiert die Inflation in Deutschland derzeit ein Rekordhoch von 7,2 Prozent (Stand: April 2023). In anderen Ländern (der Eurozone) fällt sie sogar noch deutlich höher aus. Daher müssen die Zentralbanken die Zinsen erhöhen, um die Inflation zu bremsen.
Die Auswirkungen sind in vielen Bereichen aber besonders bei Lebensmitteln und Energiekosten deutlich zu spüren und werden vermutlich das gesamte restliche Jahr und darüber hinaus anhalten.
Wie beeinflussen die Coronakrise und der Krieg in der Ukraine die Märkte?
In Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine ist es wichtig, die Aktienkurse genau zu beobachten: Nachdem die Börsen mit Bekanntwerden der rasanten Virusverbreitung Anfang 2020 weltweit eingebrochen waren, erholten sie sich schnell und befanden sich bereits nach wenigen Wochen wieder auf dem Weg zu alten Höchstständen. Der wichtigste deutsche Aktienindex DAX erreicht mit 13.253,74 Punkten am 31. Oktober die beste Oktober-Bilanz in der Geschichte des Börsenbarometers.
Ende Februar 2022 griff Russland die Ukraine an. Schon im Vorfeld wurden Anleger und Anlegerinnen aufgrund der angespannten politischen Situation nervös. Nach dem ersten Einmarsch russischer Truppen rutschten die deutschen Aktienmärkte wieder ins Minus und verloren zeitweise mehr als 3.000 Punkte. Unterdessen stiegen die Ölpreise stark an. Anleger und Anlegerinnen setzen vermehrt auf Staatsanleihen und Investments in Gold.
Häufige Fragen zum Negativzins
Wann muss ich Negativzinsen zahlen?
Mit der Einführung der Negativzinsen durch die EZB erhoben zahlreiche Kreditinstitute Verwahrentgelte. Je nach Bank oder Sparkasse mussten Kunden und Kundinnen beispielsweise ab einer Summe von 25.000 oder 50.000 Euro auf einem Giro- oder Tagesgeldkonto Verwahrentgelte zahlen. Je nach Kreditinstitut ändert sich nun die Situation aufgrund der im Juli 2022 angekündigten Zinserhöhung. Denn das Verwahrentgelt ist in vielen Fällen vertraglich an den Einlagezins der EZB gekoppelt.
Wann werden die Negativzinsen abgeschafft?
Einige Kreditinstitute haben bereits vor der angekündigten Zinserhöhung die Freibeträge erhöht. So müssen weniger Kunden und Kundinnen Verwahrentgelte entrichten. Viele Banken und Sparkassen haben das Verwahrentgelt vertraglich an den EZB-Einlagenzins gekoppelt, weswegen eine Anpassung zu Gunsten von Kunden und Kundinnen in vielen Fällen stattfinden wird und Negativzinsen entfallen. Über Preise und Entgelte entscheiden die Sparkassen überall im Land in eigener Verantwortung.
Was versteht man unter Minuszinsen?
Minuszinsen werden auch Negativzinsen genannt. Eigentlich ist es aber ein Entgelt für die sichere Verwahrung liquider Mittel durch eine Bank oder Sparkasse. Werden in Ihrem Kontenmodell Minuszinsen fällig, bekommen Sie als Sparerin oder Sparer kein Geld für Ihre Einlagen und müssen ab einer bestimmten Summe Verwahrentgelte bezahlen.
Wie hoch ist der Freibetrag bei Negativzinsen?
Je nach Bank oder Sparkasse fällt der Betrag unterschiedlich aus. Der Negativzins fällt nur auf das Guthaben der vertraglich geregelten Maximalsumme an. Das können 25.000 oder 50.000 Euro, bei einigen Instituten auch 100.000 Euro sein.
Ein Verwahrentgelt ist das Gegenteil von Guthabenzinsen. Verwahren Sie Ihr Erspartes auf einem Giro- oder Tagesgeldkonto, müssen Sie in Zeiten des Negativzinses bei einigen Kreditinstituten ab einer bestimmten Summe für die sichere Verwahrung ihres Geldes das sogenannte Verwahrentgelt entrichten.