Durch das Ehegattensplitting genießen Verheiratete und Paare in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft Steuervorteile, wenn die Partnerinnen und Partner unterschiedlich viel verdienen.
Kritikerinnen und Kritiker sind der Meinung, das Splitting sei ein Anreiz für Frauen, weniger zu arbeiten und dadurch stärker von Altersarmut bedroht zu sein.
In Studien wurde berechnet, dass eine Abschaffung des Ehegattensplittings zu mehr Vollzeitbeschäftigten und einem einmalig erhöhten Bruttoinlandsprodukt führen könnte.
Da ohne das Splitting die Steuerlast steigt, gibt es auch Forderungen, die Verluste für einkommensschwache Haushalte auszugleichen.
Große Gehaltsunterschiede und traditionelle Rollenverteilung
Das 1958 in Deutschland eingeführte Splitting-Verfahren (engl. splitting = aufteilen) berücksichtigt große Gehaltsunterschiede bei Verheirateten und Paaren in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Davon profitieren Familien, die sich für ein traditionelles Rollenmodell entschieden haben: Eine Person in der Partnerschaft ist die Haupt- oder Alleinverdienende.
Der oder die andere verdient nur wenig oder gar nicht und kümmert sich stattdessen um Care-Arbeit wie Kinder und Haushalt. Kritiker des Ehegattensplittings sehen darin falsche Anreize zur Erwerbslosigkeit und prangern an, dass das Splitting-Verfahren die Chancengleichheit hemme und Altersarmut fördere. Denn wer im Laufe seines Lebens wenig in die Rentenkasse einzahlt, erwirbt fürs Alter auch nur geringe Rentenansprüche. Im Falle einer Trennung ist dies problematisch für den anderen Partner und die Partnerin mit geringem oder gar keinem Einkommen.
500.000 neue Vollzeitarbeitskräfte, aber Schwächere werden benachteiligt
Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) stellte in einer Studie fest, dass eine reguläre Besteuerung aller Eheleute besonders für das Wirtschaftswachstum und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) positive Auswirkungen haben könnte. Es wird mit einer halben Million zusätzlicher Vollzeitarbeitskräfte gerechnet und das BIP könnte einmalig um 1,5 Prozent steigen. Dadurch könnten Staatsschulden verringert werden.
Das Nettoeinkommen von Partnern mit unterschiedlichen Einkommen würde jedoch ohne Ehegattensplitting durch die höhere Besteuerung sinken. Sozial schwächeren Paaren drohen laut der Untersuchung Nachteile und Verluste, die außergewöhnliche Belastungen nach sich ziehen könnten. Die Politik müsste diesen Aspekt berücksichtigen und für einen Ausgleich sorgen. Beispielsweise durch eine Erhöhung des Kindergeldes oder des Kinderfreibetrags.
Debatte über Sparmaßnahmen
Grundsätzlich könnte auch über eine Individualbesteuerung nachgedacht werden, um je nach Fall zu entscheiden. Dies favorisieren aktuell Politikerinnen und Politiker der SPD. Der Parteivorsitzende Lars Klingbeil forderte, dieses Privileg künftig für neu zu schließende Ehen abzuschaffen. Er sagte, die Abschaffung des Ehegattensplittings würde dem antiquierten Steuermodell, das die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt, ein Ende setzen. Zudem würde der Staat Geld sparen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) möchte, dass der Staat 2024 weniger Geld ausgibt als zuletzt. Daher werden verschiedene Sparmaßnahmen diskutiert, unter anderem auch eine geringere Einkommensobergrenze für den Anspruch auf Elterngeld. Den Vorschlag aber, das Ehegattensplitting abzuschaffen, lehnte Lindner ab. Er argumentierte in der „Bild am Sonntag“, dass eine Ehe auch finanzielle Pflichten enthalte, man beispielsweise für den Unterhalt des anderen aufkommen müsse. Insofern sei es fair, diese „Wirtschaftsgemeinschaft“ zusammen zu besteuern.
Freie Wahl der Eheleute
Ob bei der Einkommensteuer als Einzelveranlagung oder Zusammenveranlagung vorgegangen wird, kann jedes Ehepaar für sich entscheiden. Zum Ehegattensplitting ist kein Partner und keine Partnerin verpflichtet. Die Entscheidung kann individuell nach der besseren Wahl geschehen. Sollten Sie kein Interesse am Splittingverfahren haben, können Sie dies dem Finanzamt in der Steuererklärung schriftlich mitteilen. Dann werden einzelne Steuererklärungen eingereicht und das eigene Einkommen und das des Partners oder der Partnerin einzeln verrechnet.
Häufige Fragen zum Ehegattensplitting
Wie funktioniert das Ehegattensplitting?
Geben verheiratete oder verpartnerte Paare eine gemeinsame Steuererklärung ab, wird die Einkommenssteuer nach dem Splitting-Verfahren berechnet. Dazu wird das Jahreseinkommen der Eheleute zusammengerechnet und als ein einziges steuerpflichtiges Einkommen behandelt. Das Finanzamt halbiert im Anschluss den Betrag und berechnet für eine Hälfte die Einkommenssteuer. Diese wird zuletzt verdoppelt und ergibt die Einkommenssteuer, die vom Ehepaar bezahlt werden muss. Zur Veranschaulichung finden Sie nachfolgend eine Beispielrechnung.
Beispiel 1: Lisa und Frank sind nicht verheiratet. Lisa hat ein Jahreseinkommen von 15.000 Euro, Frank verdient 45.000 Euro. Beide Einkommen werden getrennt versteuert, was für Lisa 887 Euro Steuern und für Frank 9.945 Euro Steuern bedeutet. Zusammen also 10.832 Euro.
Beispiel 2: Anna und Süleyman haben vor Kurzem geheiratet. Anna und Süleyman verdienen dasselbe wie Lisa und Frank, allerdings werden beide Einkommen zusammen verrechnet und ergeben somit 60.000 Euro. Die Summe wird halbiert. Das Finanzamt berechnet die Einkommenssteuer, die auf 30.000 Euro anfällt und verdoppelt diesen Wert. Dadurch beträgt die Einkommenssteuer 9.902 Euro.
Steuervorteil für das verheiratete Paar: 10.832 Euro – 9.902 Euro = 930 Euro.
(Quelle: vlh.de, Steuersätze von 2022)
Wann lohnt sich das Ehegattensplitting?
Je höher der Einkommensunterschied zwischen Eheleuten ist, umso höher sind die steuerlichen Vorteile beim Ehegattensplitting. Am meisten lohnt sich das Splitting, wenn ein Partner oder eine Partnerin gar kein Einkommen hat. Denn je niedriger das gemeinsame Einkommen der Eheleute insgesamt ist, umso höher fällt prozentual gesehen der steuerliche Vorteil aus.
Welche Steuerklassen betrifft das Ehegattensplitting?
Die Zusammenveranlagung von Eheleuten findet in der Regel in den Steuerklassenkombinationen III und V oder IV und IV Anwendung.
Wie lange gilt das Ehegattensplitting nach dem Tod?
Im Todesjahr des Ehepartners oder der Ehepartnerin hat der Witwer oder die Witwe die Möglichkeit, einmalig noch die Zusammenveranlagung mit dem oder der Verstorbenen zu wählen – dies nennt sich Gnadensplitting beziehungsweise Witwensplitting. Voraussetzung ist, dass die Zusammenveranlagung auch vor dem Tod bestand.
Was hat das Ehegattensplitting mit Gleichberechtigung zu tun?
Dem Ehegattensplitting liegt die Vorstellung einer traditionellen Rollenverteilung zugrunde. Es gibt eine hauptverdienende Person, die die Familie versorgt, während der andere Partner oder die Partnerin weniger oder gar nicht arbeitet. In den meisten Fällen handelt es sich hierbei um Frauen, die sich stattdessen beispielsweise um die Kinder kümmern. Aus Sicht von Chancengleichheit und Gleichberechtigung ist dieses Modell daher schwierig, da so die Abhängigkeit vom Partner und – bei Trennung die Gefahr von Altersarmut – gefördert werden. Die nicht oder nur wenig arbeitende Partei zahlt weniger in die Rentenkasse ein, erhält demnach im Alter weniger Geld und bleibt auch im Ruhestand abhängig von Partner oder Partnerin.
Warum wird jetzt darüber diskutiert?
Die Diskussion um das Ehegattensplitting schwelt schon länger. Aufgrund der Einsparungen, die Bundesfinanzminister Christian Lindner für den Bundeshaushalt 2024 einfordert, flammt die Debatte allerdings erneut auf. Unter anderem der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil brachte die Abschaffung des Ehegattensplittings als Sparmaßnahme ins Spiel – um zugleich die Chancengleichheit und Gleichberechtigung zu fördern. Christian Lindner von der FDP sprach sich dagegen aus.
Wird das Ehegattensplitting jetzt aufgehoben?
Bundesfinanzminister Christian Lindner schloss im Bayerischen Rundfunk aus, dass eine Abschaffung in dieser Legislaturperiode erfolgen werde, die voraussichtlich bis 2025 läuft.