Planvoll in den Ruhestand
Neue Lebensphase rechtzeitig vorbereiten
Vermögenseffizient planen
Lebensstandard auch im Alter halten
8 Tipps für einen entspannten Abschied aus dem Berufsleben
Gerade Menschen in Führungspositionen und Unternehmensinhaberinnen und -inhaber fällt der Wechsel vom Job in den Ruhestand schwer. Sie stellen sich dann die Frage: Wer bin ich, wenn ich nicht mehr arbeite? Coachin Ursula Kraemer erklärt, wie künftige Ruheständlerinnen und Ruheständler die neue Lebensphase am besten vorbereiten.
Tipps aus der Praxis von
Ursula Kraemer
Was im Loriot-Film „Pappa ante portas“ für Lacher sorgt, stürzt in der Realität so manchen in eine Depression. „Der Wechsel vom Berufsleben in den Ruhestand fällt vielen Menschen schwer“, sagt Ursula Kraemer. Als Coach begleitet sie Klienten auf dem Weg in die neue Lebensphase.
Zu ihr kommen überwiegend Männer, die sich stark über ihren Beruf definieren. Gerade ihnen bereitet es Probleme, aus dem Arbeitsleben oder der Firma, die sie aufgebaut haben, auszusteigen und sich in der neuen Lebensphase zurechtzufinden.
Die Beraterin aus Friedrichshafen gibt Tipps für einen entspannten Abschied aus dem Berufsleben:
Rechtzeitig planen
Der Schritt in den Ruhestand bedeutet zwangsläufig, sich mit dem Älterwerden auseinanderzusetzen. „Das jagt vielen Menschen Angst ein, und sie schieben es auf, sich damit zu beschäftigen“, sagt Ursula Kraemer. Dabei sollten sie genau das Gegenteil tun und bereits ein bis zwei Jahre vor dem Wechsel damit beginnen, den Ruhestand zu planen. „Dann bleibt genug Zeit, sich auf die neue Phase vorzubereiten.“
Selbstständige haben es einerseits leichter als Angestellte, weil sie den Übergang frei gestalten können, sagt Kraemer. Sie können sich fragen: Was gebe ich jetzt schon ab? Wann steige ich komplett aus? Doch bei Selbstständigen besteht dafür die Gefahr, dass sie einen Rückzieher machen, wenn der zuvor anvisierte Termin näher rückt. „Sie sagen dann plötzlich: Ach, ein Jahr mache ich noch!“ Das sabotiert nicht nur die eigene Ruhestandsplanung, sondern auch die Übergabe an die Nachfolge.
Planen Sie Ihren Ruhestand rechtzeitig
Kassensturz machen
Ganz gleich, ob ein Verkauf angestrebt wird oder eine Person aus der Familie das Steuer übernehmen soll: Es gehören konkrete Zahlen auf den Tisch.
Ein rechtzeitiger Kassensturz ist auch deshalb wichtig, weil das Unternehmen oft zentral für die Altersvorsorge ist. Ursula Kraemer: „Um den Ruhestand planen zu können, muss ich mein Budget kennen.“ So früh wie möglich ist zu klären: Wie hoch sind meine Rücklagen? Welche regelmäßigen Einnahmen kann ich erwarten? Wird der Erlös aus dem Verkauf meiner Firma für die Finanzierung meines Ruhestands reichen?
Wer im Berufsleben viel verdient hat, muss im Rentenalter auch viel ersetzen, soll der Lebensstandard gehalten werden. Da gilt es auch abzuwägen, was zum persönlichen Lebensstandard unbedingt dazugehören soll und worauf sich ohne das Gefühl einer Einschränkung verzichten lässt. „So kann man sich fragen, ob der Zweit- und Drittwagen wirklich nötig sind oder ob das eigene Haus nicht allmählich zu groß wird“, gibt Kraemer zu bedenken.
Herzensprojekt suchen
Für Führungskräfte – ob angestellt oder selbstständig – gilt im Berufsleben die Gleichung: Je mehr Beschäftigte ich habe, desto höher ist mein Ansehen, sagt Ursula Kraemer. „Fällt das weg, müssen diese Personen ihren Selbstwert völlig neu definieren und sich fragen: Wer bin ich, wenn ich nicht mehr arbeite?“
Jeder braucht eine Aufgabe, einen Grund, morgens aufzustehen – auch im Ruhestand. „Ich versuche, gemeinsam mit meinen Klientinnen und Klienten aufzudecken, was sie interessieren könnte. Das ist ein Suchprozess.“
Die Beraterin erzählt von einem Klienten, der sich privat schon immer für Archäologie interessiert hat. „Er dachte zunächst, dass er für dieses Hobby zu alt sei, fand dann aber eine Ausgrabung in seiner Region, an der er sich beteiligen konnte. Damit hat er sich einen alten Traum erfüllt.“
Auch ein ehrenamtliches Engagement könne Erfüllung bringen, etwa im Naturschutz oder im kulturellen Bereich. Viele vermögende Menschen finden in der Einrichtung einer gemeinnützigen Stiftung eine neue Aufgabe, die ihnen Freude macht.
Je früher diese Pläne reifen, desto besser: Wer schon im Berufsleben eine klare Vision von seinem Ruhestand hat, dem fällt das Loslassen viel leichter, sagt Ursula Kraemer.
Wissen weitergeben
Die Weitergabe des über viele Jahre erworbenen Wissens kann ein weiterer Weg sein, den Alltag sinnvoll zu füllen. So wie bei Ursula Kraemer selbst: Vor einigen Jahren entschied sie sich, die bundesweiten Seminaraufträge, die mit vielen Reisen und Hotelaufenthalten verbunden waren, einem jungen Kollegen zu übergeben und sich auf ihre Arbeit als Coach zu konzentrieren. „Möglich wurde das, weil inzwischen ein festes Einkommen in Form von Rente auf meinem Konto eingeht“, sagt sie lachend.
Ihre Erfahrungen aus der Trainings- und Beratungsarbeit möchte Kraemer mit möglichst vielen Menschen teilen: Sie schreibt Bücher und Blogbeiträge , im vergangenen Jahr erschien ihr Ratgeber „Aufbruch zu neuen Ufern – Gut vorbereitet in den Ruhestand“ . Andere Rentnerinnen und Rentner bleiben als Senior Experts mit ihrem früheren Arbeitgeber verbunden oder helfen Start-ups auf die Beine, erzählt die Beraterin.
Familie einbeziehen
„Wer einen Partner oder reine Partnerin hat, sollte auf jeden Fall das Gespräch mit ihm oder ihr suchen, denn die neue Phase betrifft beide, auch wenn der oder die andere noch eine Weile weiterarbeitet“, sagt Ursula Kraemer. Welche Vorstellungen hat jeder vom neuen Lebensabschnitt? Was wollen beide zusammen machen, was jeder für sich? Gibt es ein neues gemeinsames Projekt?
„Auch die Organisation des Alltags sollte überdacht werden“, rät Kraemer. „Damit nicht die eine Partei Freizeit hat und die andere allein den Haushalt schmeißt.“
Gibt es Enkelkinder? Hier bringt der Eintritt in den Ruhestand eine neue Chance, sich stärker um sie zu kümmern. Berufstätige Großeltern haben oft wenig Zeit, sich den Enkeln in dem Maße zu widmen, wie sie gerne möchten.
Um Enttäuschungen und Konflikten vorzubeugen, empfiehlt Ursula Kramer auch hier offene Gespräche. Eltern und Großeltern sollten klären, wie viel Zeit Oma und Opa für die Betreuung aufwenden möchten, ob es feste Tage gibt oder ob sie auf Abruf bereitstehen.
Auch Erziehungsgrundsätze gehören besprochen: „Die jungen Eltern sollten ihre Erwartungen darlegen, den Großeltern aber auch Ausnahmen zugestehen. Oma und Opa sind schließlich dafür da, die Enkelkinder zu verwöhnen“, sagt Kraemer.
Kontakte reaktivieren
„Wer sehr aktiv im Job ist, hat oft keinen großen Freundeskreis“, weiß Ursula Kraemer. Sie rät, Kontakte zu reaktivieren oder einen neuen Bekanntenkreis aufzubauen, wenn der Ruhestand bevorsteht.
Ein Verein, ein Hobby, ein Chor oder ein Kurs an der Volkshochschule bieten ideale Gelegenheiten, neue Bekanntschaften zu schließen und unverbindlich zu prüfen, mit welchen Menschen man sich auch privat treffen möchte. Kraemer warnt jedoch davor, zu hohe Ansprüche zu stellen: „Während sich ein neuer Bekannter eher als Begleiter für die gemeinsame Laufrunde eignet, teilt man mit einer anderen Freundin das Interesse an guten Büchern. Beides zusammen findet man selten.“
Ein Freundes- und Bekanntenkreis, der auch jüngere Menschen einbezieht, sei das beste Mittel, „lebendig“ zu bleiben. „Das nährt das Gefühl, noch dazuzugehören“, so Kraemer weiter.
Tage strukturieren
Viele Neurentnerinnen und Neurentner wollen erst einmal reisen. „Das ist auch völlig in Ordnung, aber nach der Rückkehr vom Segeltörn oder der Weltreise braucht man Pläne für den Alltag. Der Ruhestand ist kein verlängerter Urlaub!“, betont die Expertin. Wenn nicht mehr der Job den Takt vorgibt, sollte es andere Termine geben, die unseren Alltag strukturieren. Sonst sei ein Tag wie der andere.
Es gehe nicht darum, sich die Woche vollzupacken, sondern Fixpunkte zu setzen: mittwochs schwimmen, Donnerstagabend Stammtisch, Sonnabend ein Ausflug in die Umgebung. „Wenn man nur in den Tag hineinlebt, versumpft man und bekommt irgendwann gar nichts mehr erledigt. Vormittags Zeitung lesen und nachmittags Fernsehen – das genügt auf Dauer nicht.“
Die Gefahr, sich gehen zu lassen, ist groß. Auch die, an einer Depression zu erkranken. Es gibt Tageskliniken für Menschen, die mit dem Ruhestand nicht zurechtkommen. „Betroffene sollten sich professionelle Hilfe holen“, sagt auch Ursula Kraemer.
In Bewegung bleiben
Die Beraterin erlebt immer wieder, dass gerade Menschen, die sich stark im Job engagieren, ihre Gesundheit vernachlässigen. „Sie werden im Ruhestand schneller gebrechlich, wenn sie sich dann nicht bewusst um ihre Fitness kümmern.“
Sie rät dazu, Bewegung fest in den Alltag zu integrieren. Ob strammer Spaziergang, Radfahren oder Schwimmen – all das kann dabei helfen, Muskelkraft und Beweglichkeit zu erhalten. Das Wort „Ruhestand“ sollte man also nicht wörtlich nehmen!