
Sondervermögen ermöglichen große Vorhaben außerhalb des regulären Haushalts, sind jedoch meist schuldenfinanziert.
Diese Finanzierungsart schafft finanzielle Spielräume für notwendige Investitionen (Pro), zugleich wird kritisiert, dass sie die Schuldenbremse umgehen können (Kontra).
Andere Länder nutzen ähnliche Finanzierungsinstrumente, wobei der Umgang mit Sondervermögen international unterschiedlich geregelt ist.
Was ist ein Sondervermögen?
Ein Vermögen mit vielen Namen: Ob Zusatzfonds, Spezialbudget, Stabilisierungsrücklagen, Krisenreserve oder schlicht Investitionsrücklage – Staatsfinanzierung kennt zahlreiche Bezeichnungen für das, was im Kern dasselbe bedeuten kann: zusätzliches Geld. Der Begriff „Sondervermögen“ klingt zunächst nach einem Guthaben, das dem Staat zur Verfügung steht – aber nur selten sind Sondervermögen durch reale Werte oder Einnahmen gedeckt. In 90 Prozent aller Fälle handelt es sich um Schulden – jedoch sind diese immer zweckgebundene Mittel, die außerhalb des regulären Haushalts geführt werden. Diese Gelder sind also für bestimmte Projekte reserviert und dürfen nicht anderweitig verwendet werden. Da Sondervermögen nicht zum Kernhaushalt des Staates gehören, können sie eine Ausnahme von der Schuldenbremse darstellen. Dennoch sind Sondervermögen eine Form der Staatsverschuldung.
Was bedeutet Staatsverschuldung?
Deutschland weist 2025 mit 62,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eine vergleichsweise moderate Staatsverschuldung auf – deutlich unter dem Durchschnitt des Euroraums (89,5 Prozent) und weit unter Ländern wie Frankreich (110 Prozent), den USA (127 Prozent) oder Japan (250 Prozent). Der Staat nimmt Schulden oft auf, um langfristige Investitionen zu finanzieren, von denen auch künftige Generationen profitieren, etwa in Infrastruktur, Bildung oder Klimaschutz. Da diese Ausgaben einen nachhaltigen Nutzen haben, wird die Rückzahlung meist über Jahrzehnte gestreckt, um die finanzielle Belastung zu verteilen. Trotz der relativ niedrigen Schuldenquote bleibt die Herausforderung bestehen, solide Staatsfinanzen mit notwendigen Zukunftsinvestitionen in Einklang zu bringen.
- Sondervermögen sind eine spezielle Form der Staatsverschuldung
Ihre Finanzierung erfolgt meist durch Kredite und nicht aus laufenden Steuereinnahmen. Sie ermöglichen es dem Staat, gezielt in bestimmte Projekte zu investieren. Ein wesentlicher Vorteil der Sondervermögen ist, dass die Rückzahlung meist erst weit in der Zukunft beginnt und über einen langen Zeitraum erfolgt. Dadurch werden die jährlichen Belastungen für den Staatshaushalt reduziert, sodass die Schuldentragfähigkeit des Landes nicht zu sehr beeinträchtigt wird. Diese langfristige Tilgung kann helfen, notwendige Investitionen zu finanzieren, ohne kurzfristig drastische Einsparungen oder Steuererhöhungen – die politisch schwer durchsetzbar sind – vornehmen zu müssen. Sondervermögen sind ein flexibles Finanzierungsinstrument – das Chancen bietet, aber hinsichtlich der Transparenz der Staatsfinanzen auch Risiken birgt.
Warum wird über ein Sondervermögen diskutiert?
Die Welt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel – geopolitische Spannungen, wirtschaftliche Unsicherheiten und technologische Umbrüche stellen Regierungen weltweit vor neue Herausforderungen. Handelskonflikte eskalieren, allen voran zwischen den USA und China, was auch Europa zunehmend unter Druck setzt. Neue Zölle und protektionistische Maßnahmen drohen, die deutsche Wirtschaft weiter zu belasten. Gleichzeitig wachsen die sicherheitspolitischen Risiken: Der Krieg in der Ukraine hält an, während sich die globale Bedrohungslage verschärft. Viele Staaten erhöhen ihre Verteidigungsausgaben – auch Deutschland sieht sich gezwungen, massiv in die Bundeswehr zu investieren, um seine Bündnisverpflichtungen zu erfüllen. Doch auch innerhalb des Landes gibt es drängende Probleme. Die Infrastruktur ist vielerorts marode, Investitionen in Digitalisierung und Klimaschutz sind überfällig; und wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit werden immer dringlicher. Gleichzeitig setzt die Schuldenbremse dem Bundeshaushalt enge Grenzen. Vor diesem Hintergrund wird das Sondervermögen als eine Möglichkeit gesehen, notwendige Milliardeninvestitionen zu finanzieren, ohne den regulären Haushalt zu überlasten.
Sondervermögen soll erheblich wachsen
Die Bundesregierung plant derzeit (März 2025) ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro. Dieses soll vorrangig zur Förderung von Wirtschaft und Infrastruktur eingesetzt werden – allein die Deutsche Bahn hat einen Finanzierungsbedarf von 148 Milliarden Euro, was etwa ein Drittel des geplanten Milliarden-Pakets ausmachen würde.
Ein Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro wurde bereits eingerichtet, um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken. Zusammen ergeben diese beiden Sondervermögen einen Betrag von 600 Milliarden Euro. Jedes Sondervermögen hat seinen eigenen Zweck und wird unabhängig voneinander verwaltet.
Welche Vor- und Nachteile hat ein Sondervermögen?
Sondervermögen ermöglichen es dem Staat, große Investitionen zu tätigen, ohne den regulären Haushalt zu belasten. Dies schafft finanzielle Flexibilität, etwa wenn kurzfristig auf Krisen reagiert werden muss. Allerdings gibt es auch Risiken: Da die Mittel oft durch Kredite finanziert werden, steigt die Gesamtverschuldung des Staates, auch wenn sie nicht direkt im Haushalt auftaucht. Kritiker bemängeln zudem die unzureichende Transparenz, da Sondervermögen nicht immer so streng kontrolliert werden wie reguläre Haushaltsmittel.
Wie nutzen andere Länder Sondervermögen?
Sondervermögen sind nicht nur ein deutsches Phänomen. Auch andere Staaten greifen auf ähnliche Konstruktionen zurück – wenn auch unter anderen Namen und mit unterschiedlichen Zielsetzungen.
- In den USA existieren sogenannte Defense Funds, die eine flexible Finanzierung von Militärausgaben ermöglichen. Für 2025 sind dafür fast 800 Milliarden US-Dollar im Verteidigungshaushalt vorgesehen.
- China setzt auf Sonderfonds zur wirtschaftlichen Stabilisierung und zum Ausbau der Infrastruktur. Jüngst wurden dort milliardenschwere Maßnahmen beschlossen, darunter Zinssenkungen, neue Kreditprogramme und staatliche Stützungskäufe für den Aktienmarkt.
Besonders in Krisenzeiten ermöglichen Zusatzetats schnelle und gezielte Maßnahmen, ohne den regulären Haushalt sofort zu belasten. Es gibt aber auch gegenläufige Beispiele:
- Frankreich hat den „Fonds de réserve pour les retraites“ (FRR) zur langfristigen Absicherung des Rentensystems eingerichtet, der unabhängig vom regulären Staatshaushalt operiert.
- In Großbritannien gibt es ebenfalls Sonderhaushalte, die in strategische Projekte fließen. Der „National Productivity Investment Fund“ (NPIF) konzentriert sich auf Investitionen in Infrastruktur, Forschung und Wohnungsbau, um wirtschaftliche Entwicklungen gezielt zu steuern.
Wie werden Sondervermögen verwaltet?
Sondervermögen werden in separaten Fonds oder Konten geführt, die nicht direkt Teil des Bundes- oder Landeshaushalts sind. Ihre Verwaltung übernimmt häufig das Finanzministerium oder eine speziell dafür eingerichtete Institution. Parlamentarische Gremien und der Bundesrechnungshof kontrollieren die geplanten Ausgaben, um eine ordnungsgemäße Mittelverwendung sicherzustellen.
Unter diesen Bedingungen darf ein Sondervermögen eingerichtet werden
Die Einrichtung eines Sondervermögens unterliegt bestimmten gesetzlichen Regeln. In der Regel bedarf es einer Zustimmung des Bundestags, um sicherzustellen, dass das neue Finanzierungsinstrument verfassungsrechtlich gedeckt ist. Hierfür ist in bestimmten Fällen eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Auch einzelne Bundesländer können Sondervermögen schaffen, sofern ihre Haushaltsgesetze dies erlauben. Dabei gibt es jedoch fiskalische Vorgaben, die eingehalten werden müssen. In der Praxis bedeutet das, dass nicht jede beliebige Ausgabe über ein Sondervermögen abgewickelt werden kann. Zudem unterliegen Sondervermögen der Kontrolle durch den Bundestag, den Bundesrat und den Bundesrechnungshof.
Wie viele Sondervermögen gab es schon?
Sondervermögen sind kein neues Instrument in der deutschen Finanzpolitik. Seit der Gründung der Bundesrepublik gab es bis heute insgesamt 29 Sondervermögen. Sie wurden genutzt, um große Investitionen zu ermöglichen, etwa für den Aufbau Ost nach der Wiedervereinigung oder zur Bewältigung der Finanzkrise 2008. Weitere Beispiele sind das Sondervermögen Kinderbetreuungsausbau sowie das Sondervermögen Bundeswehr, das 2022 eingerichtet wurde, um die Verteidigungsfähigkeit zu stärken.
Die Erfahrungen mit Sondervermögen sind unterschiedlich: Manche wurden nach Erreichen ihres Zwecks aufgelöst, andere bestehen bis heute und spielen eine langfristige Rolle im Staatshaushalt.
Gibt es derzeit aktive Sondervermögen?
Aktuell existieren mehrere Sondervermögen in Deutschland. Eines der bekanntesten ist das 100-Milliarden-Euro-Programm für die Bundeswehr, das als Reaktion auf veränderte sicherheitspolitische Rahmenbedingungen geschaffen wurde. Daneben gibt es noch weitere 13 Sondervermögen für Klimaschutzmaßnahmen oder wirtschaftliche Unterstützungsprogramme.
Wenn ein Sondervermögen nicht mehr gebraucht wird
Die Auflösung eines
Sondervermögens erfolgt nicht automatisch, sobald der ursprüngliche Zweck
erfüllt ist. In vielen Fällen müssen politische Gremien entscheiden, ob ein
Sondervermögen weitergeführt oder beendet wird. Besonders das
Bundesverfassungsgericht hat 2023 Sondervermögen kritisch geprüft und die
rückwirkende Übertragung von 60 Milliarden Euro aus nicht genutzten Kreditermächtigungen
des Corona-Sondervermögens in den Energie- und Klimafonds (EKF) für
verfassungswidrig erklärt. Es sind also klare Regeln erforderlich, um zu
vermeiden, dass Gelder in andere Bereiche umgeleitet werden.
Was bedeutet das Sondervermögen für die Bürgerinnen und Bürger?
Ob das Sondervermögen für die Bevölkerung eine spürbare Verbesserung bringt, hängt eben maßgeblich davon ab, wie zielgerichtet und effizient die Mittel eingesetzt werden. Werden Infrastrukturprojekte zügig umgesetzt, könnten marode Straßen und Brücken schneller saniert, der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und digitale Netze verbessert werden. Auch der Bildungsbereich könnte profitieren, etwa durch moderne Schulen, bessere Ausstattung und den Ausbau von Ganztagsbetreuung. Im Klimaschutz könnten Förderprogramme für erneuerbare Energien, energetische Gebäudesanierungen und nachhaltige Mobilität vorangetrieben werden. Zudem könnte mehr Geld in die Gesundheitsversorgung fließen, etwa für bessere Krankenhausausstattung oder eine stärkere Forschung im Medizinbereich. Fließt das Geld in die Bundeswehr, könnte dies langfristig für mehr Sicherheit sorgen – allerdings ohne direkten finanziellen Vorteil für den Einzelnen.
Was bedeutet das Sondervermögen für meinen Geldbeutel?
Die Finanzierung von Sondervermögen durch Kredite erhöht den Finanzierungsbedarf des Staates und führt zur Ausgabe neuer Bundesanleihen. Infolgedessen ist die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen auf 2,91 Prozent gestiegen – der höchste Stand seit Ende 2023. Experten erwarten ein deutlich größeres Angebot an Staatsleihen, was dazu führen könnte, dass der Staat höhere Zinsen anbieten muss, um Investoren zu gewinnen.
Ob das Sondervermögen langfristig eine nachhaltige Investition darstellt oder nur eine kurzfristige Finanzspritze bleibt, ob es zu Steuererhöhungen oder niedrigeren Energiekosten führt, höhere Zinsen für Sparer bringt oder Kredite für Unternehmen teurer macht, entscheidet sich durch die konkrete Umsetzung. Das bedeutet: Ob Sondervermögen eine dauerhafte Lösung oder nur eine Notlösung sind, hängt davon ab, wie verantwortungsvoll damit umgegangen wird.
Stand: 13.03.2025
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