Eine Frau mit grauen Haaren steht an einem Tisch in einer Schreinerei. Im Hintergrund steht Holz.

Wenn auch das Wissen in Rente geht

Rentenwelle
Immer mehr Menschen gehen in Rente. Wie lässt sich deren Wissensschatz bewahren? Und muss der Rentenbeginn überhaupt das Arbeitsende bedeuten? Über interessante Ansätze für ein veritables Problem.
Das Wichtigste in Kürze:

Endlich Rente! Für viele Angestellte ein langersehnter Tag, für Unternehmen oft ein Tag des Schreckens. Denn wenn der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin zuhause bleiben darf, geht oft auch Wissen verloren. Weshalb die deutschen Unternehmen vor einem großen Problem stehen, das durch den bevorstehenden Ruhestand der besonders starken Geburtenjahrgänge der 60er Jahre verursacht wird. Die Babyboomer werden dann nämlich zu den Rentenboomern.

Diese Entwicklung führt zu erheblichen Lücken, insbesondere in Sektoren, die auf spezialisiertes Wissen und langjährige Erfahrung angewiesen sind. Allein für Berlin mit nicht mal 4 Millionen Einwohnern wird in den nächsten 10 Jahren ein Mangel von mehr als 400.000 Fachkräften prognostiziert. Schon jetzt fehlen dort 90.000 qualifizierte Beschäftigte. Diese Rentenwelle stellt nicht nur ein demografisches Problem dar, sondern bedroht auch den wirtschaftlichen Fortschritt.

Verlust von Wissen und Know-how

Mit dem Ausscheiden der Babyboomer geht ein wertvoller Wissensschatz verloren. Dieser Verlust trifft Unternehmen besonders hart, da es oft nicht genügend Nachwuchs aus den eigenen Reihen gibt. Unternehmen müssen daher Strategien entwickeln, um das Wissen der ausscheidenden Mitarbeiter zu bewahren und den Übergang zu jüngeren Generationen zu erleichtern.

Aus Sicht der Personalverantwortlichen ist dieser Transfer jedoch nicht leicht zu gewährleisten. Die Suche nach geeignetem Ersatz dauert in der Regel mehrere Monate. Gerade in Mangelberufen kann einige Zeit ins Land gehen. Idealerweise arbeitet der jüngere Ersatz noch mehrere Monate mit der bald in Rente gehenden Kollegin oder dem Kollegen zusammen. Diese Doppelbesetzung bedeutet jedoch oft einen finanziellen Kraftakt. Gerade wenn die Altersstruktur sehr homogen ist, sollten rechtzeitig jüngere Angestellte dazugeholt werden.

Programme zur Mitarbeiterbindung

Um den Verlust von Fachwissen zu minimieren, setzen immer mehr Unternehmen auf Programme zur Mitarbeiterbindung. Continental beispielsweise hat einen Kompetenzpool eingerichtet, um das Wissen erfahrener Mitarbeiter zu bewahren und weiterzugeben. Auch Lufthansa hält erfahrene Fach- und Führungskräfte länger im Unternehmen. Diese Programme sind darauf ausgelegt, ältere Mitarbeiterinnen zu motivieren, ihre Expertise weiter einzubringen und jüngere Kollegen zu schulen.

Kapa ante portas

Doch der Renteneintritt muss nicht auch gleichbedeutend sein mit dem Arbeitsende. Viele Rentnerinnen und Rentner sind durchaus gewillt weiterzuarbeiten. Der Anteil der Menschen, die zwischen 65 und 69 Jahre alt sind und noch arbeiten wollen oder müssen, verdoppelte sich nahezu von 2012 bis 2022 von 11 auf 19 Prozent. Das zeigen Daten des Statistischen Bundesamts .

Flexible Arbeitszeitmodelle als Lösung

Unternehmen können dabei durchaus aktiv Anreize setzen für eine längeres Erwerbsleben. Das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFGB) hat für die TK ermittelt, was Ü-50-Jährige motivieren würde, den Renteneintritt aufzuschieben. Ganz oben auf der Wunschliste mit 74 Prozent:

1.      die Anpassung der Arbeitszeit an individuelle Bedürfnisse.

2.      Es folgen „Unterstützung, den Renteneintritt individuell zu gestalten“ (70 Prozent) und

3.      ein höheres Gehalt (67 Prozent).

Großunternehmen wie Deutsche Bank und Allianz haben daher ihre Arbeitszeiten gelockert und ermöglichen hybrides Arbeiten. Continental hat einen Kompetenzpool aus älteren Fachkräften gebildet, auf den das Unternehmen bei Engpässen oder für einzelne Projekte zugreift. Solche Modelle bieten den Mitarbeitern die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit an ihre persönlichen Bedürfnisse anzupassen, was ihre Zufriedenheit und Motivation erhöhen.

Herausforderungen und strategische Anpassungen

Trotz dieser positiven Ansätze gibt es auch Herausforderungen. In Schichtarbeit ist die Umsetzung flexibler Arbeitszeiten besonders schwierig. Bundesweit bieten nur etwas mehr als die Hälfte der vom IFBG befragten Arbeitgeber flexiblere Arbeitszeiten an, und weniger als die Hälfte ermöglicht einen individuellen Übergang in den Ruhestand. Unternehmen müssen daher ihre Arbeitsbedingungen strategisch anpassen, um die Bedürfnisse älterer Mitarbeiter zu erfüllen und sie langfristig zu binden.

Ein weiterer Ansatz könnte die Schaffung von Mentorenprogrammen sein, bei denen erfahrene Mitarbeiter ihre Kenntnisse an jüngere Kollegen weitergeben. Dies fördert nicht nur den Wissenstransfer, sondern stärkt auch das Gemeinschaftsgefühl innerhalb des Unternehmens.

Fazit

Laut der Randstad-ifo-Personalleiterbefragung  von 2023 beschäftigen 70 Prozent von 540 befragten Unternehmen Menschen, die bereits in Rente sind. Die meisten Betriebe davon haben Unruheständler in Minijobs (70 Prozent) angestellt. Bei 45 Prozent arbeiten Rentnerinnen und Rentner in Teilzeit und bei 11 Prozent sogar in Vollzeit. Auch freie Mitarbeit wird von einigen (4 Prozent) als Modell genutzt.

Durch gezielte Programme zur Mitarbeiterbindung, flexible Arbeitszeitmodelle und strategische Anpassungen können Unternehmen den wertvollen Wissensschatz erfahrener Mitarbeiter bewahren und sie motivieren, länger im Arbeitsleben zu bleiben. So lässt sich nicht nur der drohende Fachkräftemangel abmildern, sondern auch ein nachhaltiger Wissenstransfer sicherstellen. Mal ganz abgesehen vom Gefühl der Wertschätzung für die älteren Kollegen.

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Stand: 14. 08. 2024

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