Immer mehr Menschen können Online-Einkäufe nicht mehr bezahlen und rutschen in die Schuldenfalle.
Die Nachfrage nach Kleinkrediten, wie etwa „Buy now, pay later“-Angeboten, setzt sich vor allem im Online- und Versandhandel fort.
Bei Überschuldung gibt es diverse Hilfsangebote und Beratungsstellen.
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der überschuldeten Menschen in Deutschland hatten 2023 Schulden bei Onlinehändlern. (Quelle: Destatis)
Die positive Nachricht vorweg: Die Überschuldung von Privatpersonen nimmt laut Deutschlandatlas seit 2018 ab und erreichte im Jahr 2022 mit 8,5 Prozent der Gesamtbevölkerung ab 18 Jahren den niedrigsten Wert seit Messungsbeginn. Der größte Auslöser für Überschuldung nach Erkrankung, Sucht oder Unfall war über alle Altersklassen hinweg auch 2023 der Verlust des Arbeitsplatzes, zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis).
Steigende Schulden durch Kauf im Online- und Versandhandel
Anders sieht es beim Onlineshopping aus: Dort nimmt der Anteil der verschuldeten Menschen in Deutschland zu. Mehr als ein Drittel der Verschuldeten hatte 2023 offene Rechnungen bei Online- und Versandhändlern, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt.
Frauen sind anteilig stärker betroffen
Waren Singlehaushalte im Jahr 2023 besonders häufig von Überschuldung betroffen und sind insgesamt alleinlebende Männer häufiger und höher verschuldet als alleinlebende Frauen, haben letztere in der Regel häufiger und höhere Schulden speziell bei Online- und Versandhändlern. Knapp 37 Prozent verschuldeter Frauen haben im vergangenen Jahr eine Schuldnerberatungsstelle aufgesucht, weil sie Zahlungsrückstände durch Onlineshopping aufwiesen. Bei den Männern waren es 23 Prozent. Auch lag die durchschnittliche Schuldenlast von Frauen bei Online- und Versandhändlern mit 847 Euro deutlich höher als die von verschuldeten Männern mit 477 Euro.
Jetzt kaufen, später bezahlen: Wie Zahlungsaufschub zur Schuldenfalle werden kann
Inzwischen ist fast jeder zweite neu aufgenommene Ratenkredit ein Kleinkredit unter 1.000 Euro, wie der aktuelle Schufa Risiko- und Kredit-Kompass zeigt. Sogenannte „Buy now, pay later“-Bezahlangebote liegen im Trend und werden von vielen Händlern im Onlinegeschäft angeboten.
Vor allem in Zeiten, in denen die Haushaltskasse schneller leer ist, können Zahlungsmöglichkeiten, bei denen die jetzt bestellte Ware erst zu einem späteren festgelegten Zeitraum bezahlt werden muss, gerade recht kommen. Doch „pay later“ kann schnell zum Gegenteil von bequem werden.
Das Bundesministerium für Verbraucherschutz warnt, dass durch solche Zahlungsmethoden parallel mehrere Mikrokredite bei verschiedenen Anbietern entstehen können. Die Kontrolle über offene Rechnung zu behalten, wird dann immer herausfordernder. Dies führt zu einer zunehmenden Anhäufung von Schulden, die letztlich in Überschuldung enden kann.
Viele Menschen haben Schulden – sei es der Dispokredit, die offene Rückzahlung des Bafögs oder geliehenes Geld bei Freunden. Das ist in den meisten Fällen nicht problematisch. Anders wird es, wenn die Schulden sich so stark anhäufen, dass jemand seinen regelmäßigen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann und in die Überschuldung abrutscht. In Deutschland gilt eine Privatperson als überschuldet, deren „Einkommen über einen längeren Zeitraum nach Abzug der Lebenshaltungskosten trotz Reduzierung des Lebensstandards nicht zur fristgerechten Schuldentilgung ausreicht,“ heißt es beim Familienministerium . Kurz: Wenn jemand trotz Sparens und weniger Ausgaben seine Schulden nicht mehr zahlen kann.
„Buy Now Pay Later-Angebote werden immer stärker nachgefragt
Jüngere Menschen geraten häufiger durch Shopping im Online- und Versandhandel in Zahlungsverzug. Jedoch ist die Nachfrage nach Kleinkrediten auch bei den mittleren Altersgruppen gestiegen. Die 35- bis 49-Jährigen nutzen laut Schufa Risiko- und Kredit-Kompass im Jahr 2023 die Möglichkeit von Ratenkrediten unter 1.000 Euro rund 30 Prozent häufiger als im Vorjahr. „Der Trend ist in der Mitte der Bevölkerung angekommen und gilt längst nicht mehr nur für junge Menschen“, stellt Dr. Ole Schröder, Vorstandsmitglied der Schufa Holding AG , fest. Die folgende Grafik zeigt den Anteil der Altersgruppen mit Zahlungsrückständen durch Onlinekäufe:
Was bedeutet „Buy now, pay later“ (BNPL) eigentlich genau?
Wird BNPL in Onlineshops oder Geschäften als Zahlungsmöglichkeit angeboten, können Konsumentinnen und Konsumenten ihre getätigten Einkäufe zu einem späteren Zeitpunkt bezahlen. Das heißt sie müssen die Rechnung bei BNPL in der Regel erst nach vier Wochen oder – wenn gewünscht in Raten – weit später begleichen.
Meistens laufen die Angebote für BNPL nicht über die Shops selbst, sondern über Zahlungsdienstleister wie Klarna, PayPal oder Riverty, die die Transaktionen für die Händler abwickeln.
Entscheiden Sie sich beim Shoppen für eine BNPL-Option, gibt es je nach Anbieter verschiedene Modelle:
- Rechnungsmodell: Bei dieser Option wird der gesamte Betrag für die erhaltene Ware in der Regel nach 14 oder 30 Tagen von Ihrem Konto abgebucht – ähnlich dem altbekannten Kauf auf Rechnung. Der Unterschied ist hierbei, dass bei BNPL-Angeboten fast immer ein Drittanbieter dazwischengeschaltet ist, der sich um die Abwicklung kümmert. In den meisten Fällen können Sie, wenn Sie wollen, schon früher bezahlen.
- Ratenzahlungsmodell: Bei dieser Option erfolgt die Rückzahlung der monatlichen Raten meist über einen Zeitraum von bis zu 48 Monaten. Bei BNPL können Sie den Rechnungsbetrag schon bei geringen Beträgen in Raten aufteilen, ganz ohne Kreditantrag. Diese Ratenzahlung kostet allerdings oft Geld in Form von Zinsen und/oder Gebühren, die je nach Anbieter unterschiedlich hoch sein können.
Schutz vor Überschuldung durch neue Richtlinie für Verbraucherinnen und Verbraucher
Eine neue Verbraucherkreditrichtlinie der EU soll künftig den Umgang mit Kleinkrediten genauer regeln und Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor Ver- und Überschuldung durch Kredite schützen. In Zukunft soll auch bei Kleinkrediten unter 200 Euro eine Bonitätsprüfung notwendig werden. Darunter fallen dann erstmals auch Kredite, die über digitale Bezahlmethoden wie BNPL angeboten werden. Die Regelung muss noch in nationales Recht umgesetzt werden.
Beratung und Hilfe bei Überschuldung
In Deutschland gehen schätzungsweise nur rund 10 bis 15 Prozent der Überschuldeten zu einer sozialen Schuldnerberatungsstelle, um ihre finanzielle Situation zu verbessern – viel zu wenige.
Haben sich auch bei Ihnen Schulden angehäuft, die Sie nicht mehr gestemmt bekommen, sollten Sie sich so früh wie möglich an eine Schuldnerberatung in Ihrer Nähe wenden. Sie finden diese im Schuldnerberatungsatlas . In Deutschland gibt es mehr als 1.000 zugelassene Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen.
Übrigens: Bei den meisten gemeinnützig arbeitenden Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen, wie zum Beispiel von der Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie oder vom Deutschen Roten Kreuz, bekommen Sie die Hilfe kostenfrei. Alternativ können Sie sich auch an die Verbraucherzentralen wenden. Dort finden Sie auch eine Checkliste , wie Sie bei Schuldnerberatungen unseriöse Angebote erkennen.
Wichtige Informationen zur Beratung und zu den nötigen Unterlagen finden überschuldete Verbraucherinnen und Verbraucher auch auf den Seiten der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V.
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Stand 28.11.2024