Die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe rechnen damit, dass die deutsche Wirtschaft 2024 um 0,3 Prozent wachsen wird, 2025 um 1,1 Prozent.
Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sieht die Lage im Wesentlichen gut aus, Fachkräfte sind in fast allen Branchen gefragt.
Stärken könnte das Wirtschaftswachstum der Einsatz Künstlicher Intelligenz.
Der Jahresausklang 2023 war in der deutschen Wirtschaft schwach. Um 0,3 Prozent schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt in den letzten drei Monaten verglichen mit dem 3. Quartal. Dass Deutschland schwächer wächst als andere Industrieländer, hat verschiedene Ursachen. Zum einen gibt es hierzulande eine ausgeprägte und häufig energieintensive Industrie. Zum anderen trifft die schwächelnde Weltkonjunktur das Exportland Deutschland besonders.
Bemerkenswert war aber auch der Krankenstand. Die hohe Zahl an Fehltagen schmälerte die Wirtschaftsleistung messbar. Während sich darüber nur schwer Prognosen treffen lassen, haben die Sparkassen-Volkswirte einen Ausblick für das aktuelle und kommende Wirtschaftsjahr vorgelegt.
Zunächst steht da eine Zahl: 0,3 Prozent. Dieses Mal mit einem Plus davor. Die Wirtschaft in Deutschland wird der Prognose zufolge 2024 also wachsen, allerdings nur leicht. Interessant wird es, beim Blick hinter die Zahl. Hier wird klar, warum einfache Lösungen bei so hochkomplexen Zusammenhängen zu kurz greifen.
Prognose | 2024 |
---|---|
Bruttoinlandsprodukt | +0,3% |
Privater Konsum | +1,0% |
Staatskonsum | +0,5% |
Bauinvestitionen | -1,5% |
Ausrüstungsinvestitionen | +1,3% |
Exporte | +0,7% |
Importe | +1,0% |
Arbeitslosenquote | 5,8% |
Inflationsrate | +2,6% |
Quelle: Gemeinsame Konjunkturprognose der Sparkassen-Finanzgruppe
Chinas Bedeutung schwindet
In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben wir auch in Deutschland erheblich vom Aufstieg Chinas profitiert. Einerseits, weil wir günstig allerlei Waren beziehen konnten, was unsere Kaufkraft gestärkt hat. Andererseits, weil die Menschen und Unternehmen in China in großem Umfang deutsche Autos und Maschinen gekauft haben. China steckt jedoch in einer Wachstumsdelle. Zudem schottet sich das Land ab, versucht Exporte durch heimische Produktion zu ersetzen.
Gleichzeitig importiert aber auch Deutschland weniger aus dem Reich der Mitte. Schon 2023 gingen die Importe gegenüber dem Vorjahr um 19 Prozent zurück, für chemische Produkte gar um 70 Prozent. Eingeführt wurden hingegen mehr chinesische Autos.
Eine Studie der Außenhandelsgesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) prophezeit, dass China seine Position als wichtigster deutscher Handelspartner in diesem Jahr verlieren könnte. Ausgerechnet an die USA.
Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Ulrich Reuter, konstatierte daher auf der Pressekonferenz zur Konjunkturprognose: „Die deutsche Wirtschaft braucht mehr Partner in der Welt.“ Er forderte, dass die Politik dabei unterstützen müsse.
Angriffe auf die Lieferketten
Eine wesentliche Gefahr sind die Angriffe auf die Handelsrouten. So müssen seit dem Jahreswechsel 2023/2024 viele Schiffe von Asien nach Europa den Umweg rund um Afrika nehmen. Je nachdem, wie sich die Lage entwickelt, könnten Container und Schiffe knapp werden, wenn sie länger für eine Tour auf hoher See sind. Ähnliche Szenarien wie zu Corona-Zeiten, als beispielsweise Hafenarbeiter fehlten, sind dagegen eher unwahrscheinlich.
Hohe Energiepreise belasten die Industrie
Die erhöhten Energiepreise stellen eine Herausforderung für die deutsche Industrie dar, die aufgrund ihrer Energieintensität besonders betroffen ist. Dabei sind die Preise von nachhaltig erzeugtem Strom durchaus wettbewerbsfähig. Gebraucht werden allerdings Lösungen für die Phasen, wenn nicht genügend Energie auf erneuerbarem Weg erzeugt werden kann.
Zwar stammte bereits im Jahr 2023 mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen. Doch sind noch erhebliche Investitionen notwendig, um die Emissionen weiter zurückzufahren.
Insgesamt ist klimagerechtes Wachstum aus Sicht des Sparkassenpräsidenten leistbar. Wichtig ist, dass dabei die ohnehin nötigen Investitionen beispielsweise für defekte Maschinen oder überholte Anlagen in umweltfreundlichere Alternativen fließen.
Zinsen
Die Chefvolkswirte der Sparkassen Finanzgruppe heben hervor, dass der Mittelstand finanziell gut aufgestellt sei. Zudem seien die Zinsen am Markt wieder etwas gefallen, was Investitionen erleichtere.
Niedrigere Zinsen würden auch die Bauwirtschaft stützen. Das sei dringend nötig, denn zuletzt wurde deutlich weniger gebaut. Dieser Trend dürfte sich 2024 aber noch fortsetzen. Die Gemeinschaftsprognose sieht hier einen weiteren Rückgang um 1,5 Prozent vor, eine erhebliche Belastung für die Gesamtwirtschaft.
Inflation
Entscheidend dafür, wie sich die Zinsen entwickeln, ist allerdings die Inflation. Denn die Europäische Zentralbank legt die Leitzinsen fest. Jüngst, am 25. Januar 2024, wurde der Leitzinssatz nicht verändert. Doch sinken werden die Leitzinsen erst, wenn die Inflationsrate den Zielwert von 2 Prozent erreicht. Für den Jahresdurchschnitt rechnen die Sparkassen-Volkswirte mit einer Teuerung von 2,6 Prozent. Voraussetzung ist, dass die Rohstoffe durch kriegerische oder terroristische Handlungen nicht erheblich teurer werden.
Arbeit gibt‘s mehr als genug
Positiv ist dieser Ausblick: Die Arbeitslosigkeit soll nahezu stabil bleiben und nur leicht von 5,7 auf 5,8 Prozent steigen. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind die Zeiten günstig. Arbeitskräfte werden in fast allen Branchen gesucht. So sehr, dass der Fachkräftemangel zu einem von zwei großen Wachstumshemmnissen wird. DSGV-Präsident Reuter forderte daher „eine neue Leistungskultur“. Er sagte: „Wir alle müssen die Ärmel hochkrempeln, um uns aus den aktuellen Schwierigkeiten herauszuarbeiten.“
Quelle: Gemeinsame Konjukturprognose der Sparkassen-Finanzgruppe
Bürokratie abbauen
Ein Schlagwort, dass schon fast ein bedauerlicher Evergreen geworden ist, ist der Bürokratieabbau. Jede und jeder kennt wohl aus eigenem Erleben unnötig komplizierte Verfahren. Unternehmen kostet ein Übermaß an Verwaltung bares Geld und verhindert mitunter Investitionen.
Die Bundesregierung möchte diesem Missstand beikommen. Wie effektiv das indes vierte Bürokratieentlastungsgesetz tatsächlich sein wird, muss sich allerdings noch zeigen – nicht auszuschließen ist, dass weitere Maßnahmen folgen werden müssen.
Wachstumsmotor KI?
Prozesse zu vereinfachen und Arbeitszeit zu sparen, das verspricht auch die Künstliche Intelligenz. Unklar ist jedoch auch hier, welchen Einfluss sie auf die Wirtschaft haben wird. 2024 dürfte dafür ein erster Gradmesser werden: Denn von der Medizin bis zur Büroarbeit könnten ganz unterschiedliche Bereiche profitieren. Reuter betonte, wie wichtig es in diesem Zusammenhang sei, die deutsche und damit europäische Wettbewerbsfähigkeit sowie den Erhalt der eigenen Souveränität gleichermaßen im Auge zu behalten.
Fazit
Alles in allem sind die Aussichten nicht so schlecht und hängen auch ein Stück weit davon ab, wie sich die Stimmung im Land entwickelt. Deswegen sagte Sparkassen-Präsident Reuter auch: „Ich bin klar dagegen, dass wir uns in eine kollektive Depression hineinreden. Mindestens 50 Prozent der Wirtschaft besteht aus Psychologie.“
Dass die Wirtschaft an Schwung gewinnen wird, davon sind auch die Chefvolkswirte überzeugt. 2025 rechnen sie schon wieder mit einem solideren Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent.
Aber was bedeuten all diese Zahlen für das Ersparte und die Geldanlagen der Menschen? Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt des Wertpapierhauses der Sparkassen-Finanzgruppe DekaBank, erklärt, was in den kommenden Monaten zu erwarten ist – und welche Strategie sich nun empfiehlt.
3 Fragen zu Geld an
Dr. Ulrich Kater
Herr Dr. Kater, welches sind die guten und welches die kritischen Wirtschaftsdaten der vergangenen Wochen – und wie geht es weiter?
Als wichtigste Zahl kam die vorläufige „Endabrechnung“ über das Bruttoinlandsprodukt 2023. Mit minus 0,3 Prozent lag der Wert exakt auf unserer Prognose. Der Ifo-Geschäftsklimaindex und andere Stimmungsindikatoren liegen immer noch im Stagnationsbereich, für den Teilbereich der Industrie sogar auf Rezessionsniveau.
Aber in den USA und im Rest der Weltwirtschaft laufen die Dinge deutlich besser. Langsam sind die Zinserhöhungen verdaut, die Inflation geht weiter zurück. Am Horizont kündigen sich sogar schon die ersten Zinssenkungen der Notenbanken an. Das ist der Grund, warum die Aktienmärkte so freundlich reagieren: Das wirtschaftliche Fundament – außerhalb Deutschlands – ist in Ordnung. Das monetäre Umfeld verbessert sich, die wirtschaftlichen Bedingungen im Hinblick auf Geldangebot und Geldpolitik werden also günstiger. In der Folge setzen die Aktien das vorhandene Aufwärtspotenzial um.
Welche Auswirkungen könnten diese Faktoren auf die Investitionen und das Ersparte der Privatanlegerinnen und -anleger haben, und wie sollten sie darauf reagieren?
Sparerinnen und Sparer lassen sich durch solche kurzfristigen Themen nicht beeinflussen. Die Einkommen steigen, die Sparquote hat sich nach der Coronazeit wieder auf ihren langjährigen Trend bei etwa 10 Prozent der Einkommen eingependelt. Die Einkommen steigen in diesem Jahr wieder sehr kräftig, daher steigt auch die Ersparnis.
Welche Chancen ergeben sich aus der positiven Entwicklung der Exporte und der steigenden Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger, und welche langfristige Anlagestrategie empfehlen Sie?
Die Ertragserwartungen für Kapitalanlagen sind insgesamt deutlich positiv. Darüber hinaus führt die Rückkehr der Zinsen dazu, dass Anleihen, insbesondere Unternehmensanleihen, neben Aktien jetzt wieder ein ganz zentraler Bestandteil eines gut diversifizierten Anlageportfolios sind. Das größte Risiko, dem die Anleger weiterhin ausgesetzt sind, ist der Wertverlust durch die Inflation. Denn trotz der gegenwärtigen Beruhigung bleibt sie in den kommenden Jahren eine latente Gefahr.
Schutz davor bietet nur der Weg in die Kapitalanlage: Die langfristigen Teile des Vermögens der privaten Haushalte gehören in Aktien oder gut verzinste Anleihen. Gerade für junge Menschen ist ein früher Startpunkt der Aktienanlage für die spätere Vermögensausstattung essenziell, und sei es auch am Anfang nur mit kleinen Raten in einem Sparplan.
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Stand: 30.01.2024