Ob in Beziehungen, unter Freundinnen und Freunden oder im Verhältnis zur Familie: Das Thema Geld ist allgegenwärtig.
Finanzen bieten eine Menge Konfliktsituationen, die beispielsweise aus den unterschiedlichen Vorstellungen über Gerechtigkeit entstehen können.
Wie Sie diese Ungereimtheiten lösen können, erläutert unser Experte Jörn Valldorf vom Bundesverband Mediation anhand von Beispielen.
„Beim Geld hört die Freundschaft auf.“, „Über Geld spricht man nicht, Geld hat man.“ „Du wirfst dein Geld zum Fenster hinaus“. Diese und weitere Sprichwörter prägen seit jeher unsere Einstellung zu Geld in Deutschland. Für viele ist Geld eine emotionale Angelegenheit. Mit der Familie, innerhalb von Freundschaften und in der Partnerschaft teilen wir unsere Gefühle zu den verschiedensten Themen. Gehts ums Geld, ist das hingegen seltener der Fall. Kein Wunder also, dass es unter der Oberfläche brodelt, wenn finanziell mal etwas nicht nach unseren Vorstellungen verläuft.
Lange Rede, kurzer Sinn: In der Klärung von finanziellen Konflikten sind Menschen, anders als bei anderen Themen, oft weniger geübt. Um das besser zu veranschaulichen, haben wir einen Experten für fünf beispielhafte Konfliktsituationen zu Rate gezogen. Jörn Valldorf ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Bundesverband Mediation (BMEV) und arbeitet zudem als Mediator und Coach in Berlin. Hier teilt er seine Einschätzung.
Das ist Mediation
Die Mediation bietet bei Meinungsverschiedenheiten die Möglichkeit, Konflikte in einem transparenten Verfahren selbst aufzugreifen und mithilfe eines Mediators oder einer Mediatorin in vermittelnder Instanz autonom zu lösen. Der Bundesverband MEDIATION e.V. (BMEV) wurde 1992 als erster seiner Art in Deutschland gegründet. Heute ist der interdisziplinäre Fachverband im ganzen Land aktiv. Das Hauptziel dabei: die Verbreitung und die Weiterentwicklung der Verständigung in Konflikten.
Im Interview mit
Jörn Valldorf
So entziehen Sie sich der gleichmäßigen Restaurantrechnung, wenn Sie nur einen Salat hatten
Sie treffen sich mit Freundinnen und Freunden in einem Restaurant zum Abendessen. Im Moment sind Sie etwas knapp bei Kasse – der letzte Urlaub hat ein ganz schönes Loch ins Portemonnaie gerissen. Sie bestellen daher an diesem Abend nur eine Vorspeise und ein Glas Wasser. Als die Rechnung kommt, schlägt eine Person aus der Gruppe vor, diese einfach gleichmäßig aufzuteilen.
Jörn Valldorf: Sie kennen die Menschen, mit denen Sie essen gehen. Gönnen Sie sich die Ehrlichkeit und sagen Sie einfach ganz offen, dass Sie gerade nicht so flüssig sind. Sie haben sich deswegen extra keine Hauptspeise und kein besonderes Getränk bestellt. Gute Freundinnen und Freunde sollten Verständnis für diese Situation haben, denn Ihr Kontostand sagt nie etwas über Ihren Wert als Mensch aus. Teilen Sie in der Regel bei gemeinsamen Abenden immer die Rechnung gleichmäßig, würde ich es in diesem Fall im Vorfeld ansprechen: „Ihr Lieben, normalerweise teilen wir, aber ich muss/möchte gerade mein Geld etwas zusammenhalten. Ich bestelle daher heute nur etwas Kleines und zahle dann individuell für meinen Teil.“ Mit dieser direkten Kommunikation können sich alle weiteren Personen der Gruppe darauf einstellen. Je früher Sie es ansprechen, desto besser.
Mit Wero Geld in Echtzeit senden
Entscheiden sich dann alle an diesem Abend – oder in Zukunft – ihren Teil der Rechnung selbst zu begleichen, fragen Sie nach einer eigenen Abrechnung. Bietet das Lokal das nicht an, können Sie mit Wero in sekundenschnelle Geld an Ihre Freunde senden oder von ihnen erhalten. Es genügt die Telefonnummer oder E-Mail-Adresse.
Teurer JGA im Ausland: So erklären Sie Ihre Entscheidung dagegen
Eine gute Freundin feiert ihren Junggesellinnenabschied auf Ibiza. Doch der Kurztrip kostet viel Geld, das Sie gerade nicht haben oder für die Aktivität nicht ausgeben wollen. Sie möchten deswegen absagen, die Braut jedoch nicht enttäuschen.
Jörn Valldorf: Handelt es sich nicht um einen Überraschungsurlaub, sprechen Sie direkt mit der Braut – nicht mit der organisierenden Trauzeugin. Seien Sie auch hier ganz ehrlich: „Es tut mir leid, aber ich kann aus finanziellen Gründen den gemeinsamen Kurztrip nicht stemmen.“ Auf diese Aussage können verschiedene Reaktionen folgen, wie etwa:
- Die Braut möchte unbedingt, dass Sie dabei sind, und übernimmt Ihre Kosten.
- Die Braut oder eine andere Person teilt sich mit Ihnen ein Zimmer und Sie können so die finanzielle Belastung reduzieren.
- Die Braut oder eine andere Person bietet Ihnen ein privates Darlehen an.
Aber natürlich muss sich niemand nach Ihren (finanziellen) Befindlichkeiten richten. Haben Sie hier eine realistische Erwartungshaltung. Ergibt sich aus dem Gespräch die Situation, dass sie nicht am Kurztrip teilnehmen, können Sie der Braut eine Alternative vorschlagen: „Ich kann zwar nicht dabei sein, aber würde mir wünschen, dass wir vor deinem großen Tag noch einmal Zeit zusammen haben. Lass mich für dich kochen oder dich zum Frühstück bei mir einladen.“ Oder: „Deine Hochzeitsfeier ist mir, auch wenn ich nicht beim JGA dabei sein kann, wichtig. Lass mich wissen, wenn ich dich bei der Planung und den Vorbereitungen an einer bestimmten Stelle unterstützen kann.“
Besagter Fall kommt nicht nur bei der Planung eines Events innerhalb von Freundschaften vor. Zunehmend haben Eltern oder Erziehungsberechtigte Schwierigkeiten, kostspielige Abschlussfahrten ihrer Teenager – beispielsweise in die USA – zu finanzieren. Auch Kindergeburtstage und die zeitgleich angeforderten Geschenke werden immer umfangreicher. Für diese und weitere Fälle lohnt es sich immer, ein offenes Gespräch mit Eltern, Lehrenden und Co. zu suchen.
Gewaltfreie Kommunikation
- wertfreie Beschreibung der Situation in möglichst ruhigem Ton
- in Ich-Botschaften sprechen
- Gefühle und daraus resultierende Bedürfnisse formulieren
- um eine konkrete Handlung ohne Erwartung bitten
So reagieren Sie, wenn Ihnen ein Freund oder eine Freundin auf der Tasche liegt
Ihr bester Freund und Sie bekommen in etwa gleich viel Gehalt und haben ähnliche Lebenssituationen und deswegen auch ähnliche Ausgaben. Trotzdem lässt er sich ständig von Ihnen einladen und liegt Ihnen auch sonst ab und an auf der Tasche.
Jörn Valldorf: Schlucken Sie Ihren Ärger nicht herunter, aber sprechen Sie auch nicht in einem direkten Vorwurf. Stellen Sie lieber in einem ruhigen Moment eine Frage: „Mir ist aufgefallen, dass ich in letzter Zeit häufig für uns beide bezahle. Habe ich bei dir etwas nicht mitbekommen, hast du gerade finanzielle Probleme?“ Somit geben Sie Ihrem Freund die Möglichkeit, sich offen und ehrlich mitzuteilen. Wehrt sich dieser gegen Ihre Frage, können Sie auch deutlich sagen, dass Sie nicht bereit sind, permanent für gemeinsame Rechnungen allein aufzukommen. Setzen Sie klare Grenzen. Sollte Ihr Freund Ihr Verständnis von Gerechtigkeit weiterhin missachten, ist es unter Umständen an der Zeit, die Freundschaft auf lange Sicht zu überdenken. Hat Ihr Freund hingegen nur einen temporären Engpass, können Sie festlegen, dass er in Zukunft ein paar gemeinsame Rechnungen übernimmt und sie dann quitt sind.
„Brokefishing“
Es gibt zwei Arten von Brokefishing:
- Eine Person kann nicht gut mit Geld umgehen und lässt sich unbewusst von Freundinnen oder Freunden einladen, die hingegen ihre Finanzen gut im Blick haben.
- Eine Person weiß sehr wohl, dass Sie schon häufig eingeladen wurde, revanchiert sich aber nicht, um ihre eigene finanzielle Situation zu verbessern.
Egal, welcher Fall auf Ihre Beziehung passt: Ihr Geld ist nicht weniger wert, nur weil Ihnen Finanzen vielleicht nicht so wichtig sind. Wenn Sie sich nicht allzu lange mit dem Thema aufhalten wollen, können Sie einfach von sich sprechen und beispielsweise sagen, dass Sie in Zukunft bewusster mit Ihrem Geld umgehen wollen und deswegen nicht mehr die Rechnung allein übernehmen können.
So bieten Sie Ihren Eltern empathisch finanzielle Unterstützung an
Ihre Eltern haben finanzielle Sorgen und kehren diese in Gesprächen mit Ihnen unter den Teppich. Sie verdienen gut und möchten Sie unterstützen, ohne übergriffig zu handeln.
Jörn Valldorf: Suchen Sie einen ruhigen Moment und Ort für ein Gespräch auf Augenhöhe. Teilen Sie dann ganz wertfrei Ihre Beobachtungen: „Mama und/oder Papa, ich merke, ihr müsst gerade jeden Cent umdrehen. Jetzt auch noch die hohe Rechnung für das Auffüllen des Heiztanks. Ich verdiene doch gerade gut und würde mich total freuen, wenn ich euch monatlich mit Summe XY unterstützen kann.“ Mit dieser Aussage bringen Sie Ihre Eltern nicht in Verlegenheit, selbst zu fragen und einen Betrag vorzuschlagen. Lehnen Ihre Eltern Ihr Angebot ab, steht die Entscheidung. Dann ist es wichtig zu verstehen, dass Sie eben nur dieses und nicht Sie als Tochter oder Sohn ablehnen. Fragen Sie Ihre Eltern, ob Sie sich eine andere Art der Unterstützung vorstellen können. Oder laden Sie sie gelegentlich zum Essen ein. Eine kleine Aufmerksamkeit ab und an lässt sich unter Umständen leichter annehmen als eine monatlich höhere Summe.
So teilen Sie Haushaltsausgaben möglichst gerecht auf
Sie, weiblich, ziehen mit Ihrem neuen Partner zusammen. Er verdient deutlich mehr als Sie, möchte aber, dass Sie gemeinsame Rechnungen gleichmäßig aufteilen.
Jörn Valldorf: Situationen dieser Art sind immer Aushandlungssache. Menschen haben aufgrund von Sozialisierung und Erziehung unterschiedliche Vorstellungen von Gerechtigkeit. Machen Sie Ihrem Partner klar, dass diese Aufteilung in Ihrer Wahrnehmung ungerecht ist, und erläutern Sie die Gründe dafür. Gerade wenn Sie weniger verdienen und einen bescheidenen Lebensstil pflegen, Ihr Partner hingegen gern auf großem Fuß lebt, sollten die Anhaltspunkte offensichtlich sein. Sie können finanziell nicht mithalten, weil Sie es sich erstens nicht leisten können und zweitens vielleicht auch gar nicht wollen.
Jörn Valldorf: Andersherum kann es auch sein, dass Sie als weniger verdienende Person nicht das Gefühl bekommen wollen, ausgehalten zu werden. Denn dadurch kann ein Gefälle in der Beziehung und ungewollte Machtverhältnisse entstehen. Ich wiederhole mich an dieser Stelle: Ein offenes Gespräch hilft immer. Und sollten Sie damit nicht weiterkommen, wäre eine Mediation eine Möglichkeit.
Eine beliebte Methode ist es, einen proportionalen Anteil der Gehälter für gemeinsame Ausgaben festzulegen – beispielsweise 50 Prozent des Netto-Lohns. Verdient eine Person mehr, zahlt sie auch mehr, die Menge bezieht sich hier auf die Zahlungsfähigkeit.
Ein Beispiel: Er verdient 3.000 Euro netto pro Monat. 1.500 Euro wandern in die Haushaltskasse. Sie verdient 1.500 Euro netto pro Monat. 750 Euro wandern in die Haushaltskasse.
Gemeinsame Rechnungen werden mit den 2.250 Euro der Haushaltskasse bezahlt.
Fakt ist zudem, dass eine Frau in Deutschland selbst in der identischen Jobposition 18 Prozent weniger verdient als ein Mann. Demnach kann es auch eine faire Rechnung sein, diese Schere bei den genauen Berechnungen der am Gehalt orientierten Aufteilung von Alltagsrechnungen wie Miete, Essen, Auto zusätzlich zu berücksichtigen. Weitere Tipps zum Thema Geld und Beziehung haben wir in diesem Artikel zusammengefasst.
Stand: 15.06.2023