Urlaubsrecht: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst
Ganz so einfach ist das nicht.
Nur weil jemand besonders schnell seinen Urlaub einreicht, heißt das nicht, dass die Person deshalb auch immer Vorrang hat. Gibt es weder innerbetriebliche Vereinbarungen noch Tarifverträge mit zusätzlichen Hinweisen, wer wann Urlaub nehmen darf, gilt das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) als oberste Regelung. Aussagen dazu, welche Mitarbeitenden bei der Urlaubsvergabe bevorzugt zu behandeln sind, sind dort recht allgemein gehalten. Unter § 7, Abs. 1 heißt es:
Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.
Ich darf meinen Jahresurlaub nicht am Stück nehmen
Das stimmt so nicht.
Laut Bundesurlaubsgesetz muss Ihnen Ihr Arbeitgeber oder Ihre Chefin den Urlaub zusammenhängend gewähren, es sei denn, dringende betriebliche Belange oder in der Person des Arbeitnehmers beziehungsweise der Arbeitnehmerin liegende Gründe machen eine Teilung des Urlaubs erforderlich. Mit anderen Worten, der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin ist dazu verpflichtet, Ihre Urlaubsentscheidung zu akzeptieren, wenn dadurch gewährleistet ist, dass dieser nicht den gängigen Betrieb beeinträchtigt – etwa dann, wenn zu viele Kollegen und Kolleginnen zeitgleich in den Urlaub gehen wollen. Womöglich wäre ein Unternehmen dann nicht mehr in der Lage, ordnungsgemäß zu arbeiten – das wären dann betriebliche Gründe. In jedem Fall die gesetzliche Regelung auf ein Anrecht auf 12 Werktage Urlaub am Stück.
Ich habe einen gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Tagen im Jahr
Das ist leider falsch.
Von diesem Irrglauben gehen viele
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus. Kein Wunder, ist doch im
Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) unter Paragraf 3 von mindestens 24 Werktagen Urlaub
die Rede. Hier sollten Sie allerdings genau hinschauen. Denn dort heißt es,
dazu gehören alle Kalendertage – mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. Das
heißt, auch die Samstage. Rechnen wir das auf eine gewöhnliche Fünf-Tage-Woche
um, ergibt sich ein Mindesturlaub von lediglich 20 Tagen. Nur darauf haben alle
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer rechtlichen Anspruch.
Meine Chefin holt mich gelegentlich aus dem Urlaub zurück ins Büro – die darf das
Jein.
Der gesetzliche Urlaubsanspruch ist dazu da, sich vom Arbeitsalltag zu entspannen. Viele Menschen haben sogar mehr Urlaubstage im Jahr, als der Gesetzgeber vorgibt. Bevor Sie in die freien Tage starten, muss die jeweilige Zeit von der oder dem Vorgesetzten genehmigt werden.
Dennoch kann es vorkommen, dass Sie am Strand liegen, Ihr Handy klingelt und Ihre Chefin oder Ihr Arbeitgeber Ihnen am anderen Ende der Leitung aufgeregt mitteilt, dass daheim in der Firma alles drunter und drüber läuft – Sie sollen sofort den Urlaub abbrechen und zurückkommen.
Dürfen Arbeitgeberinnen oder Arbeitgeber das überhaupt verlangen? Grundsätzlich ist es nicht gestattet, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus deren Urlaub zurückzubeordern. Laut Arbeitsrecht geht das nur ausnahmsweise bei „betrieblichen Notfällen“, zum Beispiel, wenn die Existenz des Betriebes gefährdet ist.
Übrigens: Sie bekommen die nicht genommenen Urlaubstage zurückerstattet. Außerdem muss ihr Unternehmen sämtliche Kosten übernehmen, die Ihnen aufgrund des Urlaubsabbruchs entstanden sind.
Ich habe einen Anspruch auf Urlaubsgeld
Wer wünscht sich das nicht, das Extra-Geld. Leider ist das ein Trugschluss.
Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf Urlaubsgeld. Wer Urlaubsgeld bekommt, genießt eine freiwillige Sonderzahlung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin. Diese kann im Arbeits- oder Tarifvertrag vereinbart sein, muss es aber nicht. Eine Ausnahme gibt es aber. Haben Sie drei Jahre in Folge in gleicher Höhe von Ihrem Unternehmen Urlaubsgeld erhalten, kommen Sie in den Genuss der sogenannten betrieblichen Übung, eines Gewohnheitsrechts. Sie haben demnach auch im vierten Jahr Anspruch auf diese Zahlung.
Das gilt allerdings nur, wenn Ihr Arbeitgeber oder Ihre Arbeitgeberin den Rechtsanspruch bei wiederholter Gewährung nicht schriftlich, zum Beispiel im Arbeitsvertrag, ausgeschlossen hat.
Übrigens: Der Begriff Urlaubsgeld ist nicht zu verwechseln mit dem Urlaubsentgelt. Denn Letzteres ist die verpflichtende Fortzahlung des Lohns während des Urlaubs.
Wenn ich krankgemeldet bin, darf ich nicht verreisen
Auch das ist falsch.
Ab in die Berge zum Wandern trotz Lungenentzündung? Mit Magen-Darm-Infekt das 3-Gänge-Menü im Schlemmerrestaurant? Mit Knieproblemen aufs Surfbrett? Und das Ganze am besten noch auf Ihren Social-Media-Kanälen posten? Lieber nicht. Wenn Sie krankgeschrieben sind, sollten Sie genau abwägen, ob sie Ihren geplanten Urlaub antreten. Im schlimmsten Fall droht Ihnen die fristlose Kündigung.
Grundsätzlich dürfen Sie aber auch mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verreisen. Allerdings darf Ihr Ausflug Ihre Genesung nicht ernsthaft gefährden. Ist das nicht sicher gewährleistet, müssen Sie zu Hause bleiben. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt muss das in einem Gespräch mit Ihnen bestätigen. Eine Luftveränderung kann in vielen Fällen aber auch förderlich für die Gesundheit sein.
Sind sie bereits länger als 6 Wochen krank, haben Sie Anspruch auf Krankengeld. Wollen Sie in diesem Fall ins Ausland fahren, müssen Sie sich vor Antritt der Reise eine Zustimmung Ihrer gesetzlichen Krankenversicherung einholen. Ansonsten ruht Ihr Anspruch auf Krankengeld während Ihres Auslandsaufenthaltes. Das hat das Bundessozialgericht 2019 in einer mündlichen Verhandlung festgelegt (AZ B 3 KR 23/18 R). Weitere wichtige Infos zu Krankheit im Urlaub finden Sie hier.
Meinen alten Urlaub übernimmt der neue Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin
Das ist so nicht korrekt.
In der Regel haben Sie bei einem Jobwechsel nicht die Möglichkeit, Ihren vollen Urlaubsanspruch 1:1 auf den neuen Arbeitgeber oder die neue Arbeitgeberin zu übertragen. Erfüllen Sie bestimmte Voraussetzungen, kann der Urlaub anteilig mit dem Urlaubsanspruch im neuen Unternehmen verrechnet werden. Es gelten folgende Regelungen:
Resturlaub
Beginnen Sie Ihre neue Anstellung zum Jahreswechsel, sollten
Sie in der Regel jeglichen Urlaub beim alten Arbeitgeber beziehungsweise der
Arbeitgeberin verbraucht haben oder sich die verbleibenden Tage auszahlen
lassen. So existiert in diesen Fällen theoretisch kein Resturlaub.
Auf den Zeitpunkt kommt es an
Häufig startet der neue Job nicht am Anfang eines Jahres, sondern irgendwann mitten im laufenden Kalenderjahr. Regelungen für diesen Fall:
Beenden Sie Ihr Arbeitsverhältnis in der ersten Jahreshälfte, also bis einschließlich 30. Juni, gibt es dafür eine klare Rechtsprechung. Laut Bundesurlaubsgesetz (BurlG) steht Ihnen für jeden Arbeitsmonat ein Zwölftel des Jahresurlaubs zur Verfügung. Haben Sie von diesen Urlaubstagen beim Wechsel noch welche übrig, können Sie sich diese entweder beim alten Unternehmen auszahlen lassen oder beim neuen anteilig in Anspruch nehmen. Sie sind allerdings verpflichtet, Ihrer neuen Arbeitsstelle einen Nachweis über den im laufenden Kalenderjahr bereits verbrauchten Urlaub vorzulegen.
Endet Ihr Arbeitsverhältnis in der zweiten Hälfte, ab dem 1. Juli, des Jahres und waren Sie in Ihrem alten Unternehmen länger als 6 Monate beschäftigt, steht Ihnen Ihr gesamter Jahresurlaub bei diesem zu. Verbrauchen Sie diesen vor Ihrem Wechsel, haben Sie für den Rest des Jahres auch bei Ihrem neuen Unternehmen keinen vollen Urlaubsanspruch mehr. Andernfalls muss Ihnen der neue Arbeitgeber beziehungsweise die neue Arbeitgeberin nur anteilig – entsprechend der Beschäftigungsdauer im zweiten Halbjahr – Urlaub gewähren.
Rechenbeispiel:
Sie starten zum 1. Mai 2022 in einer neuen Firma und haben laut Arbeitsvertrag Anspruch auf 27 Tage Urlaub. Diese 27 Tage auf ein komplettes Jahr gerechnet müssen Sie nun auf die verbleibenden 8 Monate im neuen Unternehmen herunterrechnen.
27 Tage Urlaub : 12 Monate = 2,25 Tage Urlaubsanspruch pro Monat
2,25 Tage x 8 Monate = 18 Tage Urlaubsanspruch beim neuen Unternehmen
Den Urlaub, den Sie im Jahr schon verbraucht haben, ziehen Sie davon ab.
Hinweis: Wechseln Sie also innerhalb eines Jahres den Job, können
Sie in der neuen Beschäftigung den noch verbliebenen Urlaub beanspruchen.
Urlaub verjährt nicht
Urlaub darf bei einem Jobwechsel
nicht verfallen. Oft kommt es nach Jobwechseln oder Kündigungen zum Streit über
offene Urlaubsansprüche, die Arbeitnehmer bezahlt
haben wollen. In einem Grundsatzurteil hat das Bundesarbeitsgericht
(BAG) 2022 entschieden, dass „bei finanziellen Abgeltungsansprüchen für nicht
genommenen Urlaub nach Ende eines
Arbeitsverhältnisses weiter eine Verjährungsfrist von drei Jahren gilt“. Die
Richter des BAG sorgten damit für eine Klarstellung im deutschen Urlaubsrecht: Urlaub verjährt
nicht automatisch. Damit reagierten sie auf die geänderte
Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen:
Erst hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) dazu entschieden, dann das Bundesarbeitsgericht (BAG). Normalerweise beginnen die
Fristen am Ende des Kalenderjahres, in dem Urlaubsansprüche
strittig sind.
Keinen doppelten, bezahlten Erholungsurlaub
Sie dürfen Urlaubstage aber auch nicht doppelt beanspruchen. Wenn Sie Ihren Resturlaub bereits verbraucht oder sich vom alten Unternehmen auszahlen lassen haben, dürfen Sie diese Tage nicht bei der neuen Dienststelle in Anspruch nehmen. Das wäre Betrug und kann für Sie eine fristlose Kündigung bedeuten. Ausnahme: Es gibt individuelle Absprachen oder es wurden im Arbeitsvertrag andere Regelungen getroffen.
Wegen besonderer Umstände kann ich meinen Urlaub mit ins nächste Jahr nehmen
Das stimmt nicht.
So galten etwa auch während der Corona-Pandemie die allgemeinen Regeln des Paragraf 7 vom Bundesurlaubsgesetz (BurlG). Das heißt, es müssen für besondere Umstände nach wie vor dringende betriebliche oder persönliche Gründe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers vorliegen. Eine Urlaubsaufsparung, weil zum Beispiel eine geplante Reise nur eingeschränkt, gar nicht oder anders als gewünscht möglich ist, rechtfertigt dies nicht. Fällt in Ihrem Unternehmen so viel Mehrarbeit an, dass Ihr Arbeitgeber oder Ihre Arbeitgeberin besonders stark auf Sie angewiesen ist und Sie aus diesem Grund weniger Urlaub nehmen können, dürfen Sie den übriggebliebenen Urlaub aber mit in das nächste Jahr nehmen. In der Regel verschiebt sich dann die Übertragungsgrenze auf den 31. März des Folgejahres.
Bildungsurlaub? So etwas gibt es in meinem Unternehmen nicht
Das ist nicht richtig – außer Sie arbeiten in Bayern oder Sachsen, denn dort gibt es laut Gesetz tatsächlich keinen Anspruch auf Bildungsurlaub.
In allen anderen Bundesländern haben Sie – unter Einhaltung diverser Bedingungen – bei einer Vollzeitbeschäftigung in der Regel Anspruch auf bezahlten Bildungsurlaub von 5 Tagen pro Jahr oder 10 Tagen in zwei Jahren. Teilzeitkräfte haben entsprechend weniger Tage zur Verfügung.
Die Möglichkeiten, den Bildungsurlaub zu nutzen, sind
vielseitig. Sie können anerkannte Veranstaltungen zur allgemeinen, politischen,
kulturellen oder beruflichen Bildung wählen. Das kann eine Sprachreise ins
Ausland sein, ein Kurs in Projektmanagement, ein IT- oder Kommunikationsseminar
sowie vieles mehr. Da Bildungsurlaub Ländersache ist, variieren die
Bestimmungen für die Weiterbildung in Abhängigkeit vom
Arbeitsort.
Lieber Geld statt Freizeit – ich lass mir meinen Urlaub auszahlen
Das wird schwierig.
Sie brauchen gerade Geld für ein neues Auto, das geplante Eigenheim oder neue Zähne und wollen zugunsten von Cash dieses Jahr auf Ihren Urlaub verzichten? Daraus wird vermutlich nichts werden. Denn das Arbeitsrecht erlaubt die finanzielle Vergütung des Urlaubs nur in einem einzigen Fall: Sie beenden Ihr Arbeitsverhältnis und haben noch Resturlaub, den Sie nicht mehr nehmen können. Möchte Ihre Chefin oder Ihr Arbeitgeber Ihnen dennoch entgegenkommen und Ihnen den Wunsch nach Auszahlung gewähren, trägt er oder sie das Risiko. Denn mit einer Auszahlung erlöscht keineswegs der Urlaubsanspruch. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer könnten die ausgezahlten Urlaubstage zusätzlich einfordern und hätten damit vor Gericht vermutlich gute Chancen.
Mein neuer Chef sagt, während der Probezeit gibt es keinen Urlaub
Das stimmt so nicht.
Wie oben bereits beschrieben, erwerben Sie in jedem Beschäftigungsmonat ein Zwölftel Ihres Jahresurlaubs (§ 5 BUrlG). Das heißt, bei einem
- vertraglich geregelten Jahresurlaub von 28 Tagen und einer Probezeit von 6 Monaten hätten Sie bereits nach drei Monaten im neuen Job gesetzlich mindestens 7 Tage Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.
Ob Sie diesen dann auch direkt nehmen können, hängt natürlich von den Gegebenheiten im Unternehmen ab. Eine generelle Urlaubssperre während der Probezeit gibt es nicht.
Den in der Probezeit angesammelten Urlaub muss Ihnen ein Unternehmen auch gewähren oder durch Geld ausgleichen, wenn es in dieser Zeitspanne zu einer Kündigung kommt.
Jobben während des Urlaubs ist verboten
Im Großen und Ganzen ist das korrekt.
Das ist nur im absoluten Notfall möglich. Zum Beispiel, wenn es ansonsten für den Betrieb eine existenzgefährdende Situation darstellen würde und es keine andere Lösung gibt. In der Regel ist ein genehmigter Urlaub unwiderruflich. Erfolgt ein Widerruf vonseiten des Unternehmens, können Sie rechtlich dagegen vorgehen.
Einigen Sie sich mit Ihrem Arbeitgeber oder Ihrer Arbeitgeberin einvernehmlich auf eine Urlaubsrücknahme, muss Ihre Firma für mögliche entstandene Kosten wie gebuchte Zugtickets oder Hotelrechnungen aufkommen.
Hinweis: Steht in Ihrem Arbeitsvertrag eine Klausel mit dem Recht auf Widerruf des Urlaubs, ist diese gesetzlich unwirksam.
Geplant ist geplant – genehmigter Urlaub darf vom Unternehmen nicht zurückgezogen werden
Im Großen und Ganzen ist das korrekt.
Das ist nur im absoluten Notfall möglich. Zum Beispiel, wenn es ansonsten für den Betrieb eine existenzgefährdende Situation darstellen würde und es keine andere Lösung gibt. In der Regel ist ein genehmigter Urlaub unwiderruflich. Erfolgt ein Widerruf vonseiten des Unternehmens, können Sie rechtlich dagegen vorgehen. Steht in Ihrem Arbeitsvertrag eine Klausel mit dem Recht auf Widerruf des Urlaubs, ist diese unwirksam.
Einigen Sie sich mit Ihrem Arbeitgeber oder Ihrer Arbeitgeberin einvernehmlich auf eine Urlaubsrücknahme, muss Ihre Firma für mögliche entstandene Kosten wie gebuchte Zugtickets oder Hotelrechnungen aufkommen.
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Stand: 11.12.2023